Ostfriesensünde

sich das nicht alles wie in Pattaya vorstellen. Es ist nicht ganz Thailand ein riesiger Puff, o nein. Das ist ein gewaltiges Missverständnis. Der Vater hat in den Familien noch echt etwas zu sagen. Wenn er eine seiner Töchter aussucht, nach Deutschland zu fahren, um einen Mann zu heiraten, dann fühlt sie sich einerseits als Auserwählte, die die Familie retten soll, und andererseits natürlich auch als Märtyrerin. Die Heiratsvermittlerin verspricht der Familie, einen guten, ordentlichen Ehemann auszusuchen, der auch der Familie regelmäßig Geld überweisen wird, um sie zu unterstützen. Wissen Sie, was das bedeutet? Das heißt, die Oma kann ins Krankenhaus, der Kleine zur Schule. Ganze Dörfer sind so prosperiert. Ja, die Herren haben das als die eigentliche Entwicklungshilfe verkauft.«
    »Und darauf hat das BKA meinen Vater und Sie als Zielfahnder angesetzt?«, fragte Ann Kathrin ungläubig.
    Der Sommerwind fegte durchs Haus und schlug in der Küche die angelehnte Glastür zu.
    Beukelzoon gefiel sich in der Rolle des Märchenonkels und erzählte weiter: »Das war natürlich noch nicht alles. Der Haken an der ganzen Sache war, dass die Papis für ihre Töchter unterschreiben mussten.«
    »Was?«
    »Na ja, ein Flugticket musste bezahlt werden, und die Ehe musste binnen drei Monaten vollzogen werden, denn für längere Zeit gab es kein Touristenvisum. Die Heiratsvermittlerin wurde dann im letzten Moment sehr streng und sagte, sie sei schon oft hereingelegt worden und die Mädchen hätten sich nur ein paar schöne Wochen in Europa machen wollen, und das auf ihre Kosten. Natürlich wiegelt der Papa dann sofort ab, sagt, nein, meine Tochter ist ein anständiges Mädchen, wir sind keine Betrüger. Also hält ihm die Heiratsvermittlerin den Vertrag hin und darin steht, dass er alles zurückzahlen muss, wenn die Tochter nicht binnen drei Monaten heiratet. Frohgemut fliegt die Tochter also zusammen mit zwanzig anderen nach good old Germany. Was die Papis und die Mädels aber alle nicht wissen, ist, der Frauenhändler vor Ort lockt seine Kunden mit einer Geld-Zurückgabe-Garantie-Urkunde.«
    »Bitte, womit lockt er die Kunden?«
    »Mit einer Geld-Zurückgabe-Garantie-Urkunde. Das ganze Ding ist sogar notariell … «
    Empört wollte Ann Kathrin nicht glauben, was sie hörte. Aber dafür hatte Beukelzoon nur Spott übrig: »Das ist doch bei jedem Elektrogerät so. Sie haben vierzehn Tage Zeit, es umzutauschen, und wir finden es alle richtig und in Ordnung. Der kritische Verbraucher fragt sich also, warum soll das bei Frauen eigentlich anders sein? Nun, die Jungs, mit denen wir es zu tun hatten, haben vermieden, dass unnötige Kosten entstehen. Die Frauen wurden also vom Vermittler am Flughafen abgeholt und
dort gleich den Männern übergeben, die sich diese Frauen aus dem Katalog ausgesucht hatten.«
    »Die Frauen waren also sofort der Willkür dieser Männer ausgesetzt?«, fragte Ann Kathrin.
    Beukelzoon nickte, erfreut, dass Ann Kathrin endlich kapiert hatte, wie schweinisch dieses Geschäft ablief.
    »Aber das verstößt doch bestimmt gegen deren Religion und … «
    »Natürlich. Und glauben Sie mir, auf den Philippinen sind die Katholiken katholischer, als wir das kennen. Vielleicht hatte die junge Frau ja Glück und er ließ sie am ersten Abend in einem eigenen Zimmer schlafen. Aber Geld, sich ein Hotel zu nehmen, hatte keine von denen. Sie musste halt den Schlafplatz nehmen, der ihr zugewiesen wurde, und dankbar sein musste sie auch noch, und außerdem glaubte ja jede, sie würde geheiratet und ihr Typ sei der Erlöser und der Retter ihrer Familie … «
    Beukelzoon sprach nicht weiter, trank aber auch immer noch nichts von seinem Wasser. Ann Kathrin überlegte. Fürchtete dieser Mann K.-o.-Tropfen zu bekommen? War er so vorsichtig, dass er in einem fremden Haus nichts anrührte?
    »Kann ich Ihnen etwas anderes anbieten?«, fragte sie. »Einen Kaffee oder einen Tee?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, lassen Sie uns das jetzt zu Ende bringen, dann bin ich weg und Sie sehen mich nie wieder. – Der Mann, gegen den wir ermittelten, hieß Stenger. Er und sein Bruder hatten die Sache voll im Griff. Aber zurück zur Geld-Zurückgabe-Garantie-Urkunde, denn damit stand und fiel die ganze Geschichte. Was glauben Sie, wie viele Männer ihre Frauen zurückgaben?«
    Ann Kathrin wusste es nicht und hatte auch keine Lust zu raten.
    »Neun von zehn«, stellte Beukelzoon fest. »Der zehnte verliebte sich, und wahrscheinlich wurde