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Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Titel: Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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Mikrowelle. Aufwärmen, das war ihre Spezialität! Es machte »Ping«, und der Kakao war wieder so heiß, dass Katja den Becher nur mit einem Topflappen anfassen konnte. Bestimmt genau das, was Solveigh jetzt brauchte, so verfroren und schockiert wie sie aussah. Wie ich jetzt eigentlich aussehen müsste, dachte Katja. »Was genau haben sie im Radio gesagt, Solveigh?«, fragte sie eindringlich.
    »Bei einer Sportveranstaltung auf dem Priwall ist ein Läufer mit einer tödlichen Schussverletzung zusammengebrochen. Die Polizei ermittelt in alle Richtungen. Etwas in der Art jedenfalls. Ich musste sofort an euch denken, aber ich hätte nie gedacht, dass Timo derjenige sein könnte, der …«
    »Ich habe es auch noch nicht richtig begriffen.« Morgen vielleicht, dachte Katja, morgen oder irgendwann einmal.«
    »Hat es … Warst du dabei, als es passiert ist?«
    »Nein, ich war am Zieleinlauf. Ich hatte mir den Fuß vertreten und konnte nicht starten. Irgendwann kam die Läuferin, die nach Timo gestartet ist, ins Ziel gerannt. Weißt du, was ich in dem Moment gedacht habe? Mist, jetzt ist die schneller gewesen als Timo! Kannst du dir so was vorstellen?«
    »Es ist nicht deine Schuld, Katja.«
    »Die Frau hat erst nur geschrien. Dann haben wir langsam herausgekriegt, was sie gesehen hat. Sie muss fast über Timo gestolpert sein.«
    »Das ist furchtbar, Katja. Hast du ihn … hast du Timo auch dort liegen sehen?«
    »Natürlich. Ich musste ihn ja identifizieren.«
    »War das … schlimm?«
    »Ich bin Ärztin, Solveigh. Ich muss solche Dinge aushalten können. Es war halt nicht zu übersehen, dass er tot ist. Sein Auge, seine eine Gesichtshälfte – einfach weg.« Sie verstummte.
    »Du musst nicht weitersprechen, wenn du nicht willst.«
    »Doch – ich muss. Ich fühle mich schon die ganze Zeit wie betäubt. Das kann doch nicht gut sein.«
    »Vielleicht ist es eine Schutzmaßnahme, bis du es verarbeiten kannst.«
    »Du hattest schon immer ein Faible für Küchenpsychologie, oder?« Katja sah, wie ihre Freundin verletzt das Gesicht verzog, war aber nicht bereit, Rücksicht auf Solveighs Gefühle zu nehmen. Heute ging es ausnahmsweise mal nicht um sie. »Ich weiß nicht, ob man so etwas verarbeiten kann, Solveigh. Timo ist tot, und ich muss weiterleben. Die Umstände seines Todes wird die Polizei aufklären. Aber an der Tatsache, dass er niemals wiederkommt, ändert sich dadurch nichts.«
    »Glaubst du, dass ihn jemand absichtlich erschossen hat?«
    »Inzwischen schon. Ein Treffer ginge vielleicht noch als Unfall durch, aber zwei? Ich glaube, dass es jemand darauf angelegt hatte, einen der Läufer zu erschießen. Er hat den Moment abgewartet, als Timo seine Laufkarte gestempelt hat. Das war der Moment, in dem er still stand, verstehst du? Das war der Plan.«
    Solveigh nickte. Sie sah ungewöhnlich bleich aus, und ihr sonst glattes Haar hing ihr in wirren Strähnen ums Gesicht. Katja drückte kurz Solveighs Arm, bevor sie aufstand. Nur so herumzusitzen war eine Qual für sie. Solveigh zuckte zusammen. Schweigend, mit einer Art grimmiger Entschlossenheit, drückte Katja noch einmal und etwas fester zu.
    »Aua, was soll das denn?«
    »Das ist nicht dein Ernst, oder?«, fragte Katja drohend. »Du hast es schon wieder zugelassen? Wir haben das doch schon bis zum Erbrechen durchgekaut, oder?«
    »Du verstehst das nicht, Katja. Rainer meint es nicht so.«
    »Was meint dein Ehemann nicht so? Dass ihm hin und wieder die Hand ausrutscht?«
    »Es ist nicht so schlimm … Gar nicht schlimm, dieses Mal.«
    »Du bist nicht meinetwegen hier, oder? Nicht aus Angst um mich und Timo, sondern weil dein Mann mal wieder ausgerastet ist?« Katja wusste nicht, worüber sie sich mehr ärgerte: dass Solveigh sich Rainers Handgreiflichkeiten immer wieder gefallen ließ oder dass sie vorgegeben hatte, aus Sorge um Katja hier zu sein, ohne zu erwähnen, vor allem ein paar Stunden aus ihrer Wohnung rauszumüssen. Wie oft hatte sie Solveigh schon zugeredet, diesen Kerl endlich zu verlassen! Einmal Opfer, immer Opfer? Es musste einen Weg geben, sich daraus zu lösen. »Ich hol mir jetzt was zu trinken«, sagte sie, »mit viel Alkohol. Willst du auch was?«
    »Für mich nicht zu stark«, murmelte Solveigh beschämt.
    Katja goss zwei Gläser Whisky ein – guter schottischer Dalwhinnie, fünfzehn Jahre alt, die Sorte, die Timo bevorzugt hatte. Seinen Schatz, einen zweiundzwanzig Jahre alten Glen Mhor für knapp hundertvierzig Euro tastete sie nicht an.

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