Ostseefluch
beeindrucken wollen, waren ihr inzwischen ans Herz gewachsen. Sie würde nachsehen müssen, was draußen los war. Im Garderobenschrank verwahrte sie eine große Taschenlampe.
Die Abendluft fühlte sich samtig und ein wenig feucht an, als Maren durch die Haustür nach draußen trat. Der Kies knirschte laut unter ihren Füßen, sonst war nichts mehr zu hören. Sie ging am Haus entlang in den Garten, schaltete die Taschenlampe an und ließ den Strahl über den Rasen gleiten. Die Gartenmöbel warfen verzerrte Schatten auf den Boden. Unter den Apfelbäumen war die Dunkelheit fast undurchdringlich.
»Hugo!«, rief sie leise. Dann stieß Maren ein lang gezogenes, weinerliches »Djüüügh!« aus. Den Trick hatte der Tierarzt ihr verraten. Manchmal kamen die Pfauen dann. Meistens nicht. Sie ging langsam weiter. »Djüüügh!«
»Gock!«, klang es laut von links, dort, wo hinter dem Teich das kleine Wäldchen begann. Da würde sie heute Abend gewiss nicht mehr hingehen. »Goooock!« Wieder der Warnruf für drohende Gefahr. Es hallte so schauerlich! Wo waren die Pfauen nur?
Maren sah zurück zum Haus. Die Fenster im Erdgeschoss leuchteten einladend in der Dunkelheit. Auf dem Hofplatz verbreiteten zwei Lampen milchiges Licht und zeigten ihr, dass weder Menschen noch Fahrzeuge da waren. Oder hielt sich irgendwo jemand versteckt? Was jagte den Vögeln solche Angst ein?
Ich bin ein Idiot, hier allein im Dunkeln herumzulaufen, dachte Maren ärgerlich. Die Pfauen werden schon auf sich selbst aufpassen. Und wenn nicht ... Da sah sie es: an einem Baum, ganz hinten. Eine flatternde Bewegung. Einmal hatte sich eine der Hennen mit dem Bein in einem alten Draht verfangen. Obwohl Maren sie hatte befreien können, war sie zwei Tage später doch noch gestorben. Zu viel Stress, hatte der Tierarzt gesagt.
Maren ging entschlossen auf den Baum zu. Da hörte sie ein Geräusch hinter sich. Wie heftiges Einatmen. Sie packte den Griff ihrer Taschenlampe fester und wollte sich gerade umdrehen, als sie einen Stoß im Rücken fühlte, taumelte und nach vorn stürzte. Das Nächste, was sie spürte, war das Gras im Gesicht und einen singenden Schmerz in ihrem Kopf. Ein heiseres Fauchen erklang ... Seltsam, dachte sie. Ihr Blickfeld verengte sich, und dann ... ein taubes Gefühl auf den Ohren. Alles wurde schwarz.
13. Kapitel
B evor wir uns gegenseitig auf den neuesten Stand bringen, eine Vorab-Information«, sagte Horst-Egon Gabler, als alle zur morgendlichen Dienstbesprechung versammelt waren. »Gestern Abend gegen halb zwölf Uhr hatten unsere Kollegen auf Fehmarn noch einen Einsatz, und es besteht die Möglichkeit, dass er mit dem Fall Ingwers in Zusammenhang steht. Maren Rosinski, die Freundin von Rudolf Ingwers, wurde in ihrem Garten niedergeschlagen aufgefunden.«
Die Gespräche im Raum verstummten. Pias Sitznachbar Conrad Wohlert stieß mit einer unbedachten Bewegung seinen Kaffeebecher um. Sofort breitete sich ein brauner See auf dem Tisch aus.
»Rudolf Ingwers hat sie gefunden«, fuhr Gabler fort. »Er kam gegen Viertel nach elf bei Maren Rosinski vorbei, angeblich um nachzusehen, ob alles in Ordnung sei. Er sagte, sie sei telefonisch nicht zu erreichen gewesen, und in Anbetracht der besonderen Umstände habe ihn das beunruhigt. Er fand das Haus hell erleuchtet vor, aber niemand war da. Die Haustür stand offen ... und dann sah er Maren Rosinski verletzt auf dem Rasen liegen. Er hat sofort einen Rettungswagen und dann auch die Polizei alarmiert. Frau Rosinski hat die Nacht im Krankenhaus verbracht.«
»Wie geht es ihr jetzt?«, wollte Broders wissen.
»Die Kopfverletzung ist angeblich nicht schwerwiegend. Es sieht so aus, als hätte sie mit einem stumpfen Gegenstand einen nicht sehr kräftig ausgeführten Schlag auf den Hinterkopf bekommen. Sie ist davon wohl zu Boden gegangen und war kurzfristig bewusstlos. Über Nacht ist sie zur Beobachtung im Krankenhaus geblieben, aber es sieht so aus, als würde sie heute noch entlassen werden.«
»Kann es auch ein Unfall gewesen sein?«, fragte Pia. Ein Haufen Papiertaschentücher hatte inzwischen die Kaffeelache aufgesaugt, doch Pias Jeans war trotzdem schmutzig geworden. »Könnte sie gestürzt sein und sich den Kopf angeschlagen haben?«
»Hm ... Dann müsste sie mit dem Hinterkopf auf etwas aufgeschlagen sein. Als sie gefunden wurde, lag aber wohl nichts in der Nähe, was dafür in Betracht gekommen wäre. Außerdem war sie offenbar auf das Gesicht gefallen. Zumindest lag sie beim
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