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Ostseefluch

Titel: Ostseefluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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Kind, nein, die junge Frau hatte dieses Schicksal sicherlich nicht verdient, auch wenn sie ansonsten ihren Eltern mehr Kummer als alles andere bereitet hatte. Ein langweiliges, wenig ansehnliches Mädchen, ganz die Mutter, das durch die Pubertät aus der Bahn geworfen worden war und nie wieder in ein geordnetes Leben zurückgefunden hatte.
    Über Milena waren böse Geschichten im Umlauf gewesen. Ihr zweifelhafter Umgang mit der übelsten Sorte junger Leute, die die Umgebung zu bieten hatte. Das ungepflegte, abgerissene Äußere. Milena, die ehemals gute Schülerin, hatte einen schlechten Realschulabschluss hingelegt, danach ein Jahr lang rumgegammelt und war dann auch noch nach nicht mal einem Jahr aus der Lehre geflogen. Da konnten einem die Eltern leidtun, allen voran Rudolf, der ihr den Ausbildungsplatz besorgt hatte. Aber dass Milena dann ausgerechnet auf Mordkuhlen untergekrochen war – und sich dort hatte ermorden lassen ...
    Diese Tatsache lenkte ein ungesundes Maß an Aufmerksamkeit auf das Haus. Ausgerechnet jetzt, da sie, Maren, kurz vor dem Verkauf stand! Der mögliche Kaufpreis, den Klarholz ihr in Aussicht gestellt hatte, war so unerwartet hoch, dass sie es sich zur Not leisten könnte, die lästig gewordenen Mieter rauszukaufen. Diese Seibel hatte das zwar rundheraus abgelehnt, aber auch sie war käuflich, ganz bestimmt. Nur dass dann von dem schönen Stück Kuchen nicht mehr ganz so viel übrig bleiben würde.
    Ihr Verwalter lag ihr mit notwendigen Investitionen in den Ohren. Doch einen Kredit für einen Betrieb aufzunehmen, auf dem ihr niemand nachfolgen würde, das sah Maren Rosinski nicht ein. Der Unterhalt des Hauses und der Nebengebäude verschlang Unsummen, und die Vermietung von Gästezimmern, die einen gewissen Ausgleich hätte bringen sollen, hatte sie vergangenen Herbst wieder drangegeben. Zu viel Arbeit und zu viel Ärger für zu wenig Gewinn.
    Blieb nur noch, endlich Mordkuhlen loszuwerden. So, wie es da stand, war es nicht viel wert. Der Grund und Boden schon – wenn man einen langen Atem hatte und es richtig anpackte. Doch Geduld gehörte nicht gerade zu ihren Stärken. Es war schon langwierig und mühsam genug gewesen, eine Änderung des Flächennutzungsplans zu erwirken. Nach dem »TÖB-Verfahren« war der F-Plan nun endlich von der Stadtverwaltung beschlossen und vom Innenministerium genehmigt worden. Jetzt stand ihr das ganze Prozedere noch mal für den Bebauungsplan bevor. Statt Campingplatz an Campingplatz sollten die sich nicht so zieren und an der Küste lieber anständige Urlaubsresorts fördern. Bungalows und Apartments direkt am Meer. Hallenbad, Tennis, Wassersport und ein Reitstall im Ort. Das würde dann auch die richtige Klientel anziehen. Vielleicht könnte sie, Maren, waren die Leute erst mal hier, in dem leer stehenden Kuhstall eine kleine Boutique eröffnen. Das würde ihr liegen.
    Maren Rosinski strich sich durch das offene Haar. Ein bisschen trocken vom ständigen Färben. Graue Haare, seit sie Mitte dreißig war – eine Frechheit! Aber wie Judith rumlaufen wollte sie deswegen auch nicht. Männer hatten es da einfacher.
    Der Abend ohne Rudolf dehnte sich endlos vor ihr aus. Sie spielte noch ein paar Akkorde und hielt dann wieder inne. Der Gedanke daran, dass er jetzt mit Judith zusammensaß, machte es auch nicht erträglicher. Dabei war sie, Maren, gar nicht der eifersüchtige Typ. Sie hatte alles im Griff. Die Grundvoraussetzung für eine Beziehung mit einem verheirateten Mann. Ein Spiel – ein Zeitvertreib. Wann hatte es eigentlich aufgehört, ein Spiel für sie zu sein?
    Das Fenster hinter ihr stand offen, um gleich die erste laue Brise ins Haus zu lassen. Doch es rührte sich nichts. Normalerweise speicherte das alte Haus eher die Kälte, und besonders im Erdgeschoss war es auch im Hochsommer gut auszuhalten. Dieses Jahr hatte es sich sogar hier unten aufgeheizt. An ihr Schlafzimmer unter dem Dach wollte Maren erst gar nicht denken.
    »Goooock! Gock-Gock!«, schallte es zu ihr herein. Der laute Warnruf des Pfauenmännchens klang schauerlich in der Nacht. Waren er oder die Hennen in Gefahr? Durch einen Fuchs oder Marder? Normalerweise verbrachten die vier Pfauen die Nacht im alten Hühnerstall. Doch bei der Hitze waren sie einfach nicht dazu zu bewegen hineinzugehen.
    Maren seufzte leise und stand auf. Die Vögel, anfangs nur ein Spleen von ihr, mit dem sie auf ihrem Siebentausend-Quadratmeter-Grundstück ein paar Farbakzente hatte setzen und die Feriengäste

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