Ostseefluch
Hinweis auf den Land Rover von einem Privatanschluss auf Fehmarn getätigt worden war. Der andere, bei dem das Gesundheitsamt über die Rattenplage auf Mordkuhlen unterrichtet wurde, war von einem öffentlichen Fernsprecher am Kieler Bahnhof erfolgt.
»Öffentlicher Fernsprecher an einem Bahnhof?«
»Leider nicht im Bereich einer Überwachungskamera«, ergänzte Gerlach.
»Bullshit. Und der andere?«
»Da haben wir mehr Glück. Herr oder Frau Martinek aus Weschendorf haben nur mit unterdrückter Rufnummer gewählt.«
»Warum erfahren wir das erst jetzt?«, beschwerte sich Broders.
»Ossie war zwischenzeitlich krank. Da ist es liegen geblieben«, informierte ihn Manfred Rist.
»Ich kann heute noch mit den Martineks reden«, schlug Pia vor. »Ich wollte sowieso den Kammerjäger befragen, der auf Mordkuhlen gewesen ist. Das liegt auf dem Weg. Ein Besuch bei ihm ist eh längst überfällig.« Unterwegs zu sein schien ihr, so müde wie sie war, die bessere Alternative zu sein.
»Ich komme mit«, sagte Manfred Rist schnell. Seit ihrer letzten Tour nach Fehmarn, während der Rist sich zu jener rätselhaften Andeutung über die weitere Entwicklung im Kommissariat hatte hinreißen lassen, waren sie nicht mehr zu zweit unterwegs gewesen. Pia überlegte, wie sie das Thema noch mal zur Sprache bringen könnte, doch Rist kam ihr zuvor.
»Manchmal ist es verrückt«, sagte er. »Wenn du Klarholz nicht mit seinem Wagen gesehen hättest, wüssten wir immer noch nicht, dass er so ein Ding fährt. Da muss einer nur sein Fahrzeug auf seine Firma anmelden, und schon hat er uns erst mal ausgetrickst.«
»Das war von uns nur nicht zu Ende gedacht«, sagte Pia. »Ich meine, dass Autos auch auf Firmen und nicht nur auf Privatpersonen zugelassen werden, ist allgemein bekannt.«
»Was hattest du eigentlich auf dem Treffen zu suchen?«
»Ein privater Ausflug.«
»Fährst du etwa auch so eine Kiste?«
Pia sah kurz zu ihm hinüber. »Ich bin zufällig mit einem Freund dort gewesen, der mich in die hohe Kunst des Geländefahrens einweihen wollte.«
»Aha. Ein Freund ...«
»Und?«
»Er hat nichts mit dem Fall Ingwers zu tun, oder?«
»Nein. Und wenn es so wäre, würde ich kein Geheimnis daraus machen.«
»Ich wollte nur mal nachgefragt haben«, sagte er beschwichtigend.
Das wäre doch eher Gablers Baustelle, dachte sie. Was sie auf ihre ursprüngliche Frage brachte. »Wie sehen eigentlich deine weiteren beruflichen Pläne bei uns aus?«
»Ich arbeite mich gerade erst ein.«
»Meine Frage ging in Richtung Zukunft, Manfred.«
»Man wird sehen. Warum biegst du denn hier schon ab?«
»Ich hab den Termin mit Hauke Andersen als Erstes eingeplant. Hatte ich das nicht erwähnt?«
»Und die Martineks?«
»Haben mir versichert, dass sie den ganzen Tag zu Hause sind. Sie warten brav auf uns. Es hörte sich nach einem ziemlich schlechten Gewissen an.«
Pia bog in die Straße ein, in der Andersens Büro lag. Rist hatte erfolgreich vom Thema abgelenkt. Fürs Erste, dachte sie und parkte den Wagen auf dem Kundenparkplatz vor dem Haus. Diagonal über die zwei großen Fensterscheiben im Erdgeschoss führte eine überdimensionale Ameisenstraße aus Kunststofffolie.
Der Kammerjäger öffnete ihnen selbst. »Kommen Sie rein, immer herein!« Hauke Andersen führte sie in sein Büro, das fast vollständig von zwei sich gegenüberstehenden Schreibtischen ausgefüllt wurde. »Entschuldigen Sie die Unordnung. Meine Mitarbeiterin ist krank. Wollen Sie nicht Platz nehmen?«
Pia sah sich nach einer Sitzmöglichkeit um. Andersen folgte ihrem Blick und räumte Zeitschriftenstapel und Pappkartons zur Seite. Er war schmal, sehnig, seine Bewegungen schnell und geschmeidig. Der geborene Jäger ...
»Bitte sehr. Um was geht es überhaupt? Ihr Anruf hat mich natürlich neugierig gemacht.«
Rist erläuterte, weshalb sie zu ihm gekommen waren. Pia beobachtete Andersens Reaktion. Er lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Sein Fuß unter dem Tisch wippte. Seine gelbgrünen Augen waren unverwandt auf Rists Gesicht gerichtet. Hauke Andersen erinnerte Pia an die Katze ihres Nachbarn Andrej. Die sah genauso aus, wenn sie im Hof vor einem Mauseloch saß und lauerte. Nur die letzten drei Zentimeter ihrer Schwanzspitze zuckten und verrieten ihre Anspannung. Pia hatte sich einmal den Spaß erlaubt und hinter der lauernden Katze fest mit dem Fuß aufgetreten. Das Tier war aus der Hockstellung fast zwei Meter
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