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Ostseefluch

Titel: Ostseefluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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senkrecht hochgeschnellt. Ob Andersen wohl zu einer ähnlichen Reaktion fähig wäre?, überlegte Pia. Die Assoziation zum Tierreich kam nicht von ungefähr. Plakate an den Wänden bildeten alle möglichen, als Schädlinge klassifizierten Tiere und Insekten ab.
    »Ja, ich kenne das Haus, wo der Mordfall passiert ist«, sagte Andersen. »›Mordkuhlen‹ wird es genannt, oder? Komischer Name. Ich kann Ihnen raussuchen, wann ich dort meine Termine hatte. Das erste Mal bin ich wegen eines Wespennests im Schornstein hingefahren. Neulich hat mich Frau Seibel noch mal angerufen, weil sie Probleme mit Nagern hat.«
    »Wen haben Sie bei Ihren Terminen alles im Haus angetroffen?«
    »Das erste Mal hatte ich mit einem Mann namens Klaasen zu tun. Da ging es um die Wespen. Er hatte es wohl schon selbst versucht und war einige Male gestochen worden. Als ich dort ankam, hat er mir gezeigt, wo das Wespennest ist, und ich habe es fachgerecht entfernt.«
    »War da sonst noch jemand im Haus?«, fragte Pia.
    Andersen sah sie kurz an. »Ja. Ich habe Milena Ingwers dort angetroffen. So hieß sie doch, oder? Das Mädchen, das umgebracht worden ist. Kaum zu glauben ...«
    »Wie war Ihr Eindruck von ihr?«, wollte Rist wissen.
    »Mein Eindruck ... Nun ja. Nicht besonders hübsch. Etwas naiv.« Er fixierte Pia jetzt regelrecht. »Ziemlich aufdringlich.«
    »Inwiefern aufdringlich?«
    »Oh, Gott. Wie soll man das beschreiben?« Andersen rollte mit den Augen. »Aufdringlich halt. Sie kam zu mir, als ich gerade fertig war und meine Sachen zusammenräumte. Sie starrte mich eine Weile aus sicherer Entfernung an. Als ich sie ansprach, tat sie erst etwas pikiert. Aber das war nur Theater. Sie hat mich mit in die Küche genommen und mir was zu trinken angeboten.«
    »Und? Sind Sie mit ihr gegangen?«
    »Natürlich. Es war heiß an dem Tag.«
    »Heiß?« Rist ist kurz davor, sich von Andersen eine einzufangen, dachte Pia. Der Mann ihr gegenüber kniff die Augen zusammen. Er sah sprungbereit aus.
    »Was geschah weiter?«, fragte Pia.
    Andersen riss sich sichtlich zusammen. »Wir tranken zusammen Mineralwasser. Ich saß auf dem Stuhl, den sie mir angeboten hatte. Sie setzte sich breitbeinig mir gegenüber auf den Küchentisch und schlenkerte mit den Beinen.«
    »Wie haben Sie darauf reagiert?«
    »Gar nicht. Ich hab nur geschaut und mich gefragt, was sie wohl als Nächstes tut ...«
    »Und weiter?«, hakte Rist nach.
    »Ich dachte mir, dass sie hübsche Beine hat. Nicht ganz schlank, das mag ich. Aber etwas zu blass ... sie war keine echte Schwarzhaarige, das hab ich sofort gesehen.«
    »Solche Gedanken haben Sie sich über Milena Ingwers gemacht?«, sagte Pia. »Was tat sie dann?«
    »Nichts.« Er reagierte nicht auf die Provokation, sondern wartete einfach ab. Sein Jagdinstinkt schloss wohl auch Fähigkeiten mit ein, die zur Rolle des Beutetiers passten. Wer sich zuerst bewegte, hatte verloren.
    »Sie fanden Milena Ingwers also attraktiv. Würden Sie so weit gehen zu sagen, dass sie Sie angemacht hat?«, fragte Rist in dem »Jetzt-mal-unter-uns-Männern–Tonfall«, den Pia hasste.
    Andersens Mundwinkel bogen sich ein paar Millimeter nach oben. »Ja. Ganz bestimmt hat sie das. Aber ich hatte kein Interesse an ihr.«
    »Warum nicht?«
    »Erstens«, er hielt einen schlanken Zeigefinger in die Luft, »war sie nicht mein Typ. Zu jung, zu naiv ... keine Ahnung. Zweitens«, der Mittelfinger kam hinzu, »platzte kurz darauf ein Typ in die Küche und hat ihrem netten kleinen Annäherungsversuch ein Ende bereitet.«
    »Wer war das?«
    »Ich weiß es nicht. Mitte, Ende zwanzig, schlank, mittelgroß, dunkle Haare. So, wie er sich aufgeführt hat, war er wohl ihr Freund. Ich hatte ihn vorher noch nie gesehen. Keine Ahnung, wo er die ganze Zeit gesteckt hat. Das Haus ist ein Riesenkasten. War bestimmt mal sehr schön. Ein Jammer, wenn man sieht, wie heruntergekommen das jetzt alles ist. Der Zustand des Eichenparketts, der kaputte alte Kachelofen ... Eine Schande.«
    Geschicktes Ablenkungsmanöver, dachte Pia. »Was passierte dann?«
    »Ich bin gegangen. Die Rechnung hab ich denen zugeschickt. Dieser Klaasen wollte sie an die Vermieterin weiterreichen.«
    »Hatten Sie danach noch mal Kontakt zu jemandem aus dem Haus?«
    »Klar. Ich war noch mal wegen der Ratten da. Bei Frau Seibel. Sagte ich ja schon.«
    »Haben Sie Milena Ingwers noch einmal wiedergesehen?«
    Er zögerte eine Millisekunde. »Nein.«
    »Sind Sie ganz sicher?«, fragte Rist.
    »Ja. Und wenn Sie als

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