Ostseegrab
Gefühl verboten, um sich selbst zu schützen. Er hatte nie falsche Hoffnungen wecken wollen. Er hatte nie etwas versprochen. Einigen Frauen hatte er trotzdem wehgetan. Und manche waren ziemlich sauer geworden. Sarah! Sie war so schrecklich wütend gewesen.
Olli war froh, dass der Kurs endlich zu Ende war. Den Unterricht durchzustehen, machte ihm mehr Probleme, als er gedacht hatte. Es war, als hätte er erst jetzt richtig begriffen, was eigentlich passiert war. Sarah war tot und sie war schon die Zweite. Die Polizei suchte nach ihrem Mörder. Ob sie schon jemanden verdächtigten? Olli bekam eine Gänsehaut. Hatte Sarah sehr gelitten? Hatte sie große Angst gehabt? Auch wenn sie höchstwahrscheinlich nie ein glückliches Ehepaar geworden wären, hätte er doch davon träumen können. Es hätte immerhin eine winzige Chance bestanden, dass sie es sich noch anders überlegt hätte. Er hätte sie auf Händen durch ein gemeinsames Leben getragen und ihr alles verziehen. Nun musste er seine Träume begraben, wie damals. Seine Gedanken rasten immer schneller und ihm wurde fast schwindelig. Er musste hier raus, sonst würde er vermutlich noch durchdrehen. Er war schon dabei, gestand er sich ein. Wer hatte wohl alles mitbekommen, dass er Sophie angeschrien hatte? Die Bullen würden wiederkommen. Ein Image als aggressiver Schreihals konnte ihm nur schaden. Er konnte nicht weiter Unterricht geben, so als sei überhaupt nichts passiert. Warum hatte er der Polizei nicht die Wahrheit gesagt? Ben hatte recht. Früher oder später würde doch jemand erzählen, dass zwischen ihm und Sarah mehr gewesen war. Ob er von sich aus zur Polizei gehen sollte? Wahrscheinlich wäre das besser, als nur abzuwarten. Aber zuerst musste er weg und in Ruhe nachdenken. Die Idee, einfach abzuhauen, gefiel ihm immer besser. Aber wohin? »Das ist es«, murmelte Olli vor sich hin. Er würde nach Hamburg fahren und Tobias besuchen. Er sah seinen alten Kumpel sowieso viel zu selten. Er würde sich ins Auto setzen und sofort losfahren, jetzt gleich. Tobias war ein guter Zuhörer und ein erstaunlicher Mensch. Olli kannte niemanden, der sich nach einem schweren Schicksalsschlag so lebensfroh in die Zukunft stürzte. Wenn er doch nur nicht diese Einzelstunden morgen Nachmittag hätte. Es wäre schön, wenn er länger als eine Nacht bleiben könnte. Olli sprang entschlossen auf und packte das Nötigste in eine Reisetasche. Ob er zumindest Ben Bescheid sagen sollte? Ben! Vielleicht würde er die Einzelstunden übernehmen. Olli schnappte seine Tasche und ging zum Transit. Ben saß davor und öffnete gerade eine Dose Cola.
»Olli? Alles klar?«
»Ehrlich gesagt, nicht wirklich. Ich muss hier mal raus. Kannst du die Stunden morgen für mich machen?«
»Geht klar! Was ist denn los?«
»Sarah. Ich krieg das nicht aus dem Kopf. Ich bin kurz davor durchzudrehen.«
»Hey!«, ging Ben dazwischen. »Jetzt mach dir keine Sorgen. Ich regle das hier.«
»Danke!« Olli kramte in seiner Hosentasche. »Bock auf Luxus?« Er klimperte mit dem Wohnmobilschlüssel.
»Immer wieder gern!«, lachte Ben. »Endlich mal wieder nackt fernsehen. Hast du eigentlich noch mal mit den Bullen gesprochen?«
Olli nickte und gab ihm den Schlüssel. Er fühlte sich mies dabei seinen Kumpel anzulügen, aber er konnte jetzt keine Standpauke ertragen. Und außerdem wollte er noch mit der Polizei sprechen. »Ich zieh los! Da ist übrigens noch jede Menge Bier im Kühlschrank und Eier, Schinken und Joghurt. Kannst du alles haben.« Olli ging zum Parkplatz und stieg in seinen alten Golf. Als er den Motor startete, wusste er, dass er das Richtige tat. Er musste mal raus. Er musste weg von den Toten.
Ben hatte es sich gerade in Ollis Badewanne bequem gemacht, als es an die Tür klopfte.
»Machen Sie auf! Polizei!«
Ben sprang schnell aus der Wanne und wickelte sich ein Handtuch um die Hüften. Verwirrt öffnete er.
»Oliver Konrad?«
Zwei Kripobeamte sahen ihn finster an. Ben erkannte Ingo Schölzel, der die Zeugenbefragung durchgeführt hatte.
»Ich bin nicht Olli! Das wissen Sie doch.«
Der Jüngere sah ihm ernst ins Gesicht. Dann wanderte sein Blick abwärts. »Oh, ich verstehe! Sagen Sie der anderen Schwuchtel doch bitte, dass sie Besuch hat.«
Ben starrte die beiden an und fragte sich, ob er wirklich richtig gehört hatte.
»Ben, bitte machen Sie keine Schwierigkeiten und holen Sie Ihren Freund«, sagte Ingo Schölzel mit ruhiger Stimme.
Ben merkte, wie die Wut in ihm
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