Ostseegrab
verdächtigen? Das ist total lächerlich! Er hat sie geliebt! Und außerdem sind doch zwei Mädchen tot. Diese Sandra machte einfach einen Kurs bei ihm. Sie war ziemlich langweilig, aber ...«
Die Platten wurden auf den Tisch gestellt. Pelle setzte sich sabbernd vor den Tisch.
»Ben! Wenn du eine Ahnung hast, wo Olli steckt, dann solltest du ihm dringend empfehlen, mit der Polizei zu sprechen.«
»Das hatte ich eigentlich bereits getan. Aber mal im Ernst. Da gibt es doch gar keinen Zusammenhang. Sandra und Sarah kommen… kamen aus verschiedenen Welten. Sandra war aus Düsseldorf. Sie machte hier Ferien. Sie war allein angereist und hatte ein Zimmer in einer kleinen Pension im Nachbarort gemietet. Und Sarah lebte seit ein paar Monaten auf der Insel. Sie hatte ein schickes Appartement in Orth. Sie war kurz davor, die Deutschen Meisterschaften zu gewinnen.«
Sophie konzentrierte sich. Es musste einen Zusammenhang geben. »Wie sahen die beiden denn aus? Ich meine, wie würdest du sie beschreiben?«
Ben sah sie verwirrt an. »Wie sie aussahen? Puh! Sarah war ziemlich groß. Blonde Haare, schlank ... Sie war hübsch. Und Sandra, ich habe sie ja nur ein paarmal gesehen. Sie war in Ollis Anfängerkurs, aber ...« Er pfiff durch die Zähne. »Sie war zwar ganz anders, aber reduziert aufs Körperliche, Bingo! Groß, blond, schlank!«
Sophie schnalzte mit der Zunge. War das der Schlüssel? Konnte es tatsächlich so simpel sein? Wählte der Mörder seine Opfer zufällig, wenn sie in sein Beuteschema passten?
Olli saß bei seinem Kumpel Tobias auf dem Sofa und trank das dritte Bier.
»Essen ist gleich fertig!«, erklärte Tobias und balancierte ein Tablett mit Geschirr und zwei Martini auf seinem Schoß. »Und komm mir nicht damit, dass du keinen Hunger hast! Es gibt wunderbare Steaks, gebackene Kartoffeln und einen tollen Salat. Hier, ein kleiner Aperitif zur Einstimmung auf das Festmahl. Gerührt und nicht geschüttelt, oder wie war das noch?«
Olli hatte tatsächlich Hunger. Aus der Küche kam ein wunderbarer Duft. »Was würde ich nur ohne dich machen!«
»Wahrscheinlich verhungern! Prost!« Tobias trank einen Schluck und stellte das Glas auf den Tisch. »Sorry, aber ich muss wieder an den Herd. Das perfekte Steak ist eine Frage des Timings.«
Er wendete und fuhr in die Küche. Olli schluckte. Er würde sich nie daran gewöhnen, Tobias im Rollstuhl zu sehen. Er war mal einer der besten Surfer gewesen, bis er vor drei Jahren diesen grauenhaften Unfall hatte. Vor Sylt war er bei einem Rennen gestürzt und das Brett hatte mit voller Wucht seinen Rücken erwischt. Er würde seine Beine nie wieder bewegen können. Doch statt an der Situation zu zerbrechen, machte Tobias das Beste daraus. Wie früher auf dem Wasser hatte er monatelang in der Rehaklinik gekämpft. Schneller, als die Ärzte es für möglich gehalten hatten, war er so fit, dass er ohne Hilfe klarkam. Er hatte sich in Hamburg eine Wohnung im Erdgeschoss gemietet und sie behindertengerecht umbauen lassen. Als eine Straßenecke weiter ein Ladenlokal frei wurde, hatte er beschlossen, einen Surfladen zu eröffnen. Das Geschäft wurde zu einer echten Goldgrube. Auch wenn er nun im Rollstuhl saß, drehte sich sein Leben weiter um seine große Leidenschaft. Es gab keine Anzeichen von Neid oder Verbitterung. Wenn er doch ein bisschen was von Tobias hätte. Dann würde er jetzt wissen, was er als Nächstes zu tun hätte.
Kurze Zeit später saßen sie am Esstisch und genossen die butterzarten Steaks. »Der Hammer!«, schwärmte Olli. »Ich kann mich nicht erinnern, jemals so gut gegessen zu haben!«
»Nicht übertreiben. Aber danke!«, erwiderte Tobias trocken und schenkte Rotwein nach.
Olli tunkte den Rest der Soße mit seinem Brot auf. Er wusste nicht, wie er anfangen sollte. Tobias kam ihm zuvor. »So, und vor dem Espresso würde ich doch gern noch den Grund deines spontanen Besuchs erfahren. Du siehst scheiße aus! Was hat dir die Petersilie verhagelt?«
Olli schluckte.
»Hey! Raus damit! Los, langweile mich mit deiner Story. Ich lauf bestimmt nicht weg!«
»Ich hatte eine Romanze, Affäre, ein Verhältnis, was weiß ich.«
»Klingt ja wirklich schlimm! Da bin ich natürlich besser dran. Über so was muss ich mir nämlich keine Gedanken mehr machen.«
Olli sah an ihm vorbei ins Leere.
»Sorry«, entschuldigte sich Tobias. »Ich bin ein bisschen zynisch geworden. Was ist denn jetzt mit deiner Perle?«
»Sie ist tot.«
Tobias sah ihn erschrocken an.
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