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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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mal nach links, mal nach rechts, wenn er mit den Pferden sprach. Was für eine Ruhe dieser Mann ausstrahlte! Und wie unruhig er sie machte!

    Sie passierten das verlassen daliegende Heimatmuseum, die ersten Häuser. An der Telefonzelle, deren Licht schon von weit her leuchtete, hielt sie unwillkürlich Ausschau nach Marga Niemann, der verlassenen Seemannsbraut. Aber nein, heute Abend stand niemand in der Kabine und wartete auf einen Anruf, der nie kommen würde. Stundenlang hätte Julia so fahren mögen, trotz der Kälte, trotz des beständig ruckelnden Wagens. Der Wagen erinnerte sie daran, wo sie war: Inselgeschwindigkeiten, Inselbedingungen. Hannos Pferde schnaubten fast gleichzeitig. Julia riß sich zusammen. Gleich würde sie da sein und müßte den Blick von Hannos Rücken lösen... Wie töricht sie doch ist. Schon hält er die Pferde an: Sie ist zu Hause; und, als sie ihren Kram zusammensucht und sich bei Erika und den anderen bedanken will, da wendet sich Hanno auf dem Kutschbock plötzlich zu ihnen um, macht eine Geste mit der Linken in ihre Richtung, während er mit der Rechten Zügel und Peitsche hält, und sie hört ihn mit ironischen Unterton sagen: »Nun, Fräulein Julia, wann gehen Sie denn mit mir am Strand spazieren?«

    In ihrem Kopf rauscht es. Er hat sie gemeint. Es war keine Einbildung, neulich in der Kneipe. Reiß dich zusammen, Julia, sag etwas halbwegs Vernünftiges... Was hat er gefragt?
    Ob sie mit ihm Essen... nein, ums Spazieren ging es, ums Spazieren... Sie redet sich zu wie einem Droschkengaul. Und dann sieht sie, daß alle sie anschauen - erwartungsvoll, aber keineswegs neutral. Eine miese kleine Mißstimmung liegt in der Luft, ein böses Abwarten, eine Mißgunst. Und sie spürt, daß sie wählen muß, daß sie sich hier, auf der Stelle entscheidet und daß es um mehr geht als um eine kleine Promenade am Saum der Ostsee. Die Frauen wollen’s wissen, scheint es. Und Hanno auch. Er hat gefragt vor allen anderen. Julia gibt sich einen Ruck.
    Hanno schaut sie noch immer an, freundlich, wie es scheint, mehr nicht.
    »Wo wollen Sie denn mit mir spazierengehen?«
    Sie ärgert sich, wie dünn ihre Stimme klingt und wie fahl.
    »Wollen Sie denn?«
    Das klingt jetzt dringender, drängender und, als ob sie die Anspannung spürten, fangen die Pferde an, mit den Hufen zu scharren. Die anderen Frauen sehen sie unverwandt an.
    »Ja, ich will...« Sie setzt noch schnell ein »gerne!« hinzu, damit es nicht so nach Traualtar klingt.
    »Gut, dann am Freitag um zwei am Süderstrand!«
    Er würde den Pferden jetzt die Zügel lassen, damit sie lostraben, aber Julia sitzt noch immer auf ihrem Platz, ihre Sachen an sich gepreßt wie einen Säugling, den sie beschützen muß.
    Julia, du mußt absteigen, du mußt hier weg! ermahnt sie sich selbst.
    Irgendwie kommt sie heil von dem Wagen herunter, ihr »Tschüß, alle zusammen!« verkrächzt in der Nacht.
    »Gute Nacht!« antwortet eine einzige Stimme - Hannos Stimme. Sie schabt ihr Rückgrat hinab.

    Der Wagen rollt davon, Julia bleibt vor dem Gartentor stehen, mit einer ausgewachsenen Gänsehaut. Nein, eigentlich sind es zwei Gänsehäute: Eine kommt von dem seltsamen Benehmen der Frauen und fühlt sich kalt an. Himmel, die tun so, als ob der Mann einen Dämon im Leibe hat! Und die andere... die andere Gänsehaut geht nur sie etwas an, die nimmt sie mit ins Bett und pflegt sie. Als sie den schmalen Pfad zu ihrem Gästehäuschen hinaufstapft, schaut sie unwillkürlich zum Fenster hinauf, an dem Anne Bult neulich abends lehnte. Aber heute ist alles dunkel und still und schläft.

    Meine sehr liebe Freundin,
    weißt Du was? Ich mache mir Sorgen! Warum? Du schreibst von »ernsthafter Beunruhigung« - übler kann es gar nicht kommen. Ironiefreie Ernsthaftigkeit, mein Hase, ist in höchstem Maße verdächtig, und Du bist im Augenblick sehr ernsthaft. Muß ich Dich also daran erinnern, daß ich weitaus erfahrener (und leider auch gebeutelter) bin also Du?! Hör mir zu: Männer kommen und gehen. Sie sollten ein netter Zeitvertreib sein, und wenn Du Glück hast, hinterlassen sie Dir nicht nur ihren asthmatischen Hund, den kein Tierheim mehr aufnehmen will, sondern auch noch einen hübschen Armreif oder eine bereits bezahlte Reise nach Mallorca, auf die Du dann zum Beispiel mich mitnehmen kannst anstelle eines chronisch unzuverlässigen Liebespartners. Männer sind nämlich unzuverlässig, sie müssen so sein. Schon, wenn sie ermattet - und, sagen wir: glücklich -

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