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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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neben Dir auf dem Lustlager liegen, wandern ihre Gedanken davon. Das kommt aus archaischen Zeiten, wo sie eben nur kurz ihre Höhle aufsuchen konnten, die Ärmsten, ihrem Lieblingsweibchen ein paar Junge andrehten, um dann schnell wieder im Dickicht zu verschwinden, auf Bärenjagd.

    Warum ich das schreibe? Weil Du in Gefahr bist, Dein Herz und, was schlimmer ist, Deinen Verstand zu verlieren. Himmel Herrgott, was willst Du mit einem alternden Landtierarzt auf der einsamsten Insel, von der ich je gehört habe, wo das Einsammeln der Strandkörbe im Herbst geradezu ein Volksfest ist?! Was willst Du mit einem Mann, dessen beste Zeiten schon hinter ihm liegen und dessen einziger Reichtum aus ein paar Pferdefuhrwerken und einer wahrscheinlich notorisch eifersüchtigen Schwester besteht?!? Du willst da doch nicht etwa bleiben, oder? Und eines weiß ich ganz gewiß: Solche Männer taugen nicht für Abenteuer. Also sei vorsichtig, schließlich mußt Du noch eine Weile aushalten, und Du kannst, im Unterschied zu damals in Sizilien, nicht einfach davonlaufen.
    Verzeih, daß ich daran erinnere, das ist nicht gerade fein, aber der Vergleich drängt sich leider geradezu auf. Sizilien, vor ein paar Jahren, die heimliche Insel Deiner Träume. Vulkanisch und geheimnisvoll. Ein Ort, wo man von beinahe jedem Punkt aus den Ätna sehen kann, wo das Leben also unter einer ständigen, permanenten Bedrohung stattfindet, ein Ort der Dramatisierungen, hätte ich gedacht, ein Ort der Zuspitzungen.
    Aber Du hattest seit Deiner Kindheit von Sizilien geträumt, Du hattest Dich mit Deiner Phantasie richtig hineingesteigert, wenn ich mich recht erinnere, Du hast darin, daß auch Hal von ferne vernarrt war in die Insel, ein gutes Omen sehen wollen. »Schau«, hast Du zu mir gesagt, »ich glaube, es ist die richtige Insel, um sich zu versöhnen, schließlich fließen da drei Kulturen zusammen: die griechische, die arabische, die phönizische. Es ist offenbar eine Insel, die ausgleichend wirkt.« Und hast traurig gelächelt dazu. Du konntest überhaupt nur noch traurig lächeln damals und auch das wahrscheinlich nur vor Erschöpfung. Denn Du und Hal, ihr hattet die übelsten Streiterein bereits
hinter euch, ihr hattet im Grunde den Zeitpunkt längst überschritten, an dem man sich mit einigermaßen Anstand und Würde trennen kann.
    Für Dich, ja, für Dich, Du braves Schaf, hatte der Typ aber immer noch etwas Geheimnisvolles. Und glücklich hast Du mir von Sizilien geschrieben.
    Du hättest es ahnen sollen: Dich machte sie ruhig, diese Insel, fast andächtig, mit ihren zahlreichen Schätzen aus der Antike, mit der stillen Schönheit der Tempelreste, dem Amphitheater, das einen Ausblick auf die Bucht bietet, der zum Verweilen und zum Träumen einlädt. Du hättest Dich am liebsten in einer Sänfte von Ort zu Ort tragen lassen, ganz sacht und ganz hingegeben. So hast Du es mir geschrieben, während Hal die Serpentinen Siziliens vor allem als sportliche Herausforderung ansah, wie das ganze Leben. Sein einziges Interesse war immer, herauszufinden, ob es sich bezwingen ließe. Es - alles. Und so brauste er über die Insel, während Du allein auf einer blumengeschmückten Aussichtsterrasse, noch trauriger vom Duft der Magnolien und Orangenblüten --- wartetest. Und wartetest. Wie viele Tassen Cappuccino hast Du allein auf dem Corso Umberto getrunken? Wie viele Kerzen in einem plötzlichen Anfall von Katholizismus in der Kathedrale angezündet? Ich kann beurteilen, wie es damals war, denn Du hast mir Postkarten geschrieben, verzagte kleine Botschaften, die aber eigentlich ausnahmslos an Hal gerichtet waren. Hal, der mit dem Crossbike unterwegs war im Inselinneren, während Du Mandellikör in zu großen Dosierungen schlürftest, Hal, der einfach zwei Tage bei einem Olivenbauern unterkroch, ohne Dir Bescheid zu sagen, während Du, langsam verzweifelnd, durch die auch im Mai schon sonnenglühenden Gassen liefst, bei jedem Motorradgeräusch zusammenfahrend, obwohl Du doch seines herausgehört hättest unter hunderten. Hal, der auftauchte und abtauchte, wie es ihm gefiel,
der, als Du sagtest, nun würde das Hotel langsam zu teuer, ungerührt entgegnete, dann solltest Du eben ein neues, preiswerteres suchen, er komme schon zurecht.
    Derselbe Hal, der dann spät abends auftaucht, Dich auf die Tagesdecke des schäbigen Pensionsbettes zwingt und, nur die Hose rasch öffnend, in Dich eindringt wie ein Gutsherr, schnell, hart, gewaltsam und dabei auf Dich herabblickt

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