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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gab wenig Städte, ob virtuell oder nicht, in denen jemand mit einer derart schrillen Garderobe wie Sweet William nicht wenigstens einen kurzen Blick auf sich gezogen hätte.
    Die hochgewachsene Renie gesellte sich zu ihm. »Glaubst du, Sellars meinte, daß wir in eine andere Simulation übersetzen, sobald wir auf dem Wasser sind? Oder müssen wir tagelang fahren?«
    Orlando schüttelte den Kopf. »Ich hab keinen blassen Dunst.«
    »Was soll sie dran hindern, uns auf dem Fluß zu erwischen?« fragte Fredericks an Orlandos Schulter vorbei. »Schließlich werden sie sich nicht ewig aus diesem Thronsaal raushalten, und wenn sie nachschauen gehen …« Er stockte, und seine Augen wurden weit. »Fen-fen! Was passiert eigentlich, wenn wir hier getötet werden!«
    »Wir werden offline befördert«, begann Renie, aber zögerte dann. Der Pavian, der neben ihr auf allen vieren dahinhoppelte, blickte auf.
    »Du denkst, wenn wir jetzt nicht offline gehen können, gibt es auch keine Garantie, daß ein virtueller Tod etwas daran ändert?« fragte er. »Oder ist dir noch etwas Schlimmeres eingefallen?«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Das kann nicht sein. Es kann einfach nicht sein. Schmerz ist eine Sache – das könnte schlicht hypnotische Suggestion sein –, sogar künstlich hervorgerufene Komas will ich glauben, aber es will mir nicht in den Kopf, wie etwas, was einem in der VR passiert, einen umbringen können soll …« Sie hielt abermals inne.
    »Nein«, sagte sie nachdrücklich, als steckte sie etwas in eine Schublade und machte sie zu. »Wir haben später Zeit, über alles zu reden. Im Moment hilft uns das nicht.«
    Sie eilten schweigend weiter. Da die Hochhäuser der Innenstadt jetzt den Blick aufs Wasser versperrten, lief Fredericks als Kundschafter voraus. Der Surrealität der Situation wehrlos ausgeliefert, merkte Orlando, daß er Renies Pavianfreund anstarrte.
    »Wie heißt du?« fragte er den simulierten Affen.
    » !Xabbu .« Der Name hatte einen Klick- und dann einen Schlucklaut am Anfang. Orlando konnte nicht sagen, ob der erste Buchstabe ein G, ein H oder ein K sein sollte. »Und du bist Orlando.« Der Blick auf seinem Gesicht konnte ein Pavianlächeln sein. Orlando nickte. Er war sicher, daß die Person hinter dem Affen eine interessante Geschichte zu erzählen hatte, aber er hatte nicht die Kraft, sehr viel darüber nachzugrübeln. Später, wie Renie gesagt hatte. Später würde Zeit zum Reden sein.
    Falls es ein Später gibt.
    Fredericks kam zurückgeeilt. »Es ist gleich um die Ecke«, meldete er. »Das Schiff ist voll erleuchtet. Was machen wir, wenn es nicht abfahrtbereit ist, Orlando?«
    »Es ist abfahrtbereit«, erklärte er kategorisch. Er wußte es selber nicht, aber er würde den Teufel tun, diesen Leuten noch weitere Ängste in den Kopf zu setzen. »Ich hab’s gesehen, als wir gebracht wurden.«
    Fredericks warf ihm einen zweifelnden Blick zu, aber hielt den Mund.
    »Tschi-sin, tschi-sin, Mann«, murmelte der Robotersim klagend und befingerte seinen anodisierten Hals auf der Suche nach seiner Can. »Die wern uns kaschen, uns was tun. Das is herb, Mann, echt trans herb.«
    Das Staatsschiff lag an einem besonderen Kai, ein farbenfroh leuchtendes und reich verziertes Prachtstück inmitten der brutalen Funktionalität der Hafenanlagen. Beim Anblick des eleganten Schiffes fühlte Orlando, wie die Schwäche in seinen Gliedern ein wenig nachließ, wie der dumpfe Schmerz im Kopf abklang. Das Prunkschiff würde sie davontragen, fort an einen Ort, wo ihre Feinde sie nicht finden konnten. Dort würde er sich ausruhen, wieder zu Kräften kommen können.
    Renie blickte über Orlandos Schulter nach hinten und stocherte mit dem Finger in der Luft herum, als ob sie ein sehr kleines Orchester dirigierte.
    »Was machst du da?« fragte Fredericks.
    »Ich zähle. Wir sind neun. Kommt das hin, oder waren wir mehr, als wir vom Palast los sind?«
    Fredericks schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Daran hab ich nicht gedacht.«
    »Das hätten wir tun sollen.« Renie ärgerte sich ganz deutlich, aber allem Anschein nach über sich selbst. »Wir könnten unterwegs jemand verloren haben.«
    »Dann können wir auch nichts mehr machen«, sagte Orlando entschieden. »Hoffen wir, es ist jemand an Bord, der das Ding in Fahrt setzen kann.«
    Wie als Antwort begann sich oben an der Landungsbrücke, die von der Kaitreppe zum Schiff hinaufführte, eine Gruppe zu versammeln. Während Renie unten ihren Trupp zusammenscharte,

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