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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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für Reparaturen an den Traktoren, und ließen sich über den Rand auf den öligen Betonboden hinabgleiten. Dort kauerten sie sich an die Wand und lauschten, während etwas ungeheuer Mächtiges und Dunkles und Wütendes alles tat, um die riesige Scheune in Stücke zu schlagen.
     
    Es mochte eine Stunde oder zehn Minuten gedauert haben.
    »Es beruhigt sich«, rief Renie und merkte dabei, daß ihre Lautstärke fast schon wieder normal war. »Ich glaube, es hört auf.«
    !Xabbu legte den Kopf schief. »Ich werde diesen Geruch das nächste Mal erkennen, und dann können wir uns rechtzeitig verstecken. Ich habe so etwas noch nie erlebt.« Der Wind war jetzt nur noch ein lautes Wehen. »Aber es kam so schnell. ›Gewitter‹, dachte ich, und da war es auch schon da. Aber ich habe noch nie ein Wetter derart rasch umschlagen sehen.«
    »Es ging weiß Gott schnell.« Renie setzte sich ein wenig gerader hin und streckte den Rücken. Sie merkte erst jetzt, daß sie überall Schrammen und blaue Flecken hatte. »Das war nicht natürlich. Eben noch klarer Himmel, dann plötzlich – wusch!«
    Sie warteten, bis der Wind sich ganz gelegt hatte, und stiegen dann aus der Grube. Selbst das geschützte Erdgeschoß der Scheune war nicht unbeschädigt geblieben: Die mächtigen Torflügel hingen schief in den Angeln, so daß ein Dreieck Himmel – jetzt wieder blau – durch die Lücke leuchtete. Nahe der Treppe zum Heuboden lag ein riesiger Straßenhobel auf der Seite wie ein weggeworfenes Spielzeug; andere Maschinen waren mehrere Meter zur Treppe hingezogen worden, und überall lagen Trümmer herum.
    Renie betrachtete fassungslos die Verwüstung, als eine Gestalt durch das beschädigte Tor hereinschlüpfte.
    »Hier seid ihr!« kreischte Emily. Sie lief zu Renie und tätschelte ihre Arme und Schultern. »Ich hatte solche Angst!«
    »Schon gut …«, war alles, was Renie sagen konnte, bevor Emily sie unterbrach.
    »Wir müssen weg! Fliehen! Denkdelick! Tatdelick!« Sie packte Renies Handgelenk und wollte sie zum Tor zerren.
    »Wovon redest du? !Xabbu !«
    !Xabbu kam angehüpft, und einen Moment lang ergingen sich der Pavian und die junge Frau in einem seltsamen Wettziehen um Renie. Emily ließ los und begann wieder an Renie herumzutätscheln, wobei sie vor Aufregung hin- und herhippelte. »Aber wir müssen weglaufen!«
    »Machst du Witze? Da draußen muß die Hölle los sein. Bei uns bist du sicher…«
    »Nein, sie sind hinter mir her!«
    »Wer?«
    Wie zur Antwort erschien eine Reihe breiter, dunkler Gestalten im vorderen Scheuneneingang. Ein mechanischer Mann nach dem anderen stapfte mit überraschender Schnelligkeit und summend wie ein ganzer Bienenstock durch die Tür, bis sich ein halbes Dutzend in einem weiten Halbkreis aufgestellt hatte.
    »Die«, sagte Emily überflüssigerweise. »Die Tiktaks.«
    Renie und !Xabbu dachten beide sofort an die Treppe zum Heubodenfenster, doch als sie sich umdrehten, mußten sie feststellen, daß anderswo hereingekommene mechanische Männer sie bereits in die Zange genommen hatten. Renie setzte zu einem Ausfall zum großen Tor an, aber ein anderes der Uhrwerkwesen stand dort bereits in der Lücke und schnitt ihnen den Fluchtweg ab.
    Renie unterdrückte mühsam ihren Zorn. Das dumme Ding hatte ihre Verfolger direkt zu ihnen geführt, und jetzt saßen sie alle in der Falle. Jeder einzelne der mechanischen Aufpasser wog bestimmt drei- bis viermal so viel wie Renie, und sie waren zudem zahlenmäßig überlegen und bestens postiert. Es blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, daß die nächste Überraschung ein wenig erfreulicher ausfiel. Sie wartete ruhig ab, während die summenden Gestalten den Kreis enger zogen. Eine schaumstoffgepolsterte Kralle schloß sich mit erstaunlicher Behutsamkeit um ihr Handgelenk.
    »Tatdelikt«, sagte eine Stimme, die wie eine alte verkratzte Schallplatte klang. Die schwarzen Glasaugen waren noch leerer, als die der Gottesanbeterin gewesen waren. »Kommt bitte mit uns.«
    Als die Tiktaks sie aus der Scheune hinausführten, bot sich ihnen ein Schauspiel, das an ein mittelalterliches Gemälde der Hölle erinnerte. Der Himmel hatte aufgeklart, und die Sonne knallte wieder herab. Körper toter und verletzter Menschen, größtenteils Frauen, lagen überall in dem harten Licht. Wände waren eingestürzt und hatten die daran Kauernden unter sich begraben. Dächer hatten sich verselbständigt und waren wie Hochgeschwindigkeitsgletscher die Straße hinuntergefegt, wo sie alles,

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