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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ein paar Stunden holen. Wenn einer von den Gearleuten vorher verfügbar ist, wird er sich bei euch melden.« Sie verflüchtigte sich, und Renie und !Xabbu blieben allein zurück.
    »Was meinst du?« !Xabbu war auf den nackten rechteckigen Block gehopst, der als Tisch diente. »Können wir hier reden?«
    »Wenn du damit meinst, unter vier Augen, dann bezweifle ich das.« Renie runzelte die Stirn. »Es ist ein virtueller Konferenzraum – das ganze Ding ist bloß das visuelle Interface für eine Datenübertragungsmaschine mit Mehrfach-Input und -Output. Aber ob ich glaube, daß sie uns belauschen? Wohl kaum.«
    »Du meinst also nicht, daß diese Leute unsere Feinde sind.« !Xabbu hockte sich auf die Fersen und strich sich über die kurzen Haare an seinen Beinen.
    »Wenn, dann haben sie einen Haufen Aufwand getrieben, mit sehr geringen Aussichten darauf, was davon zu haben. Nein, ich glaube, sie sind genau das, als was sie sich ausgeben – eine Gruppe von Unileuten und Wissenschaftlern, die in einer teuren Simulation arbeiten. Doch was den Kerl betrifft, dem das hier gehört – ich hab den Namen vergessen –, bei dem wäre ich mir nicht so sicher.« Sie seufzte und ließ sich auf den Boden sinken, den Rücken an die kahle weiße Wand gelehnt. Der Jumpsuit, den ihr Sim trug, sah mitgenommen aus – zwar trotz des Flußabenteuers nur geringfügig, aber durchaus im Rahmen des tatsächlich Möglichen. Anscheinend berücksichtigten diese Otherlandsimulationen sogar Abnutzung und Verschleiß.
    Was waren das für Leute in dieser Bruderschaft? fragte sie sich aufs neue. Wie konnten sie ein derart realistisches Netzwerk bauen? Geld allein, selbst in fast unvorstellbaren Mengen, reichte für eine derart sprunghafte Steigerung des Leistungsvermögens gewiß nicht aus.
    »Was machen wir also?« fragte !Xabbu . »Haben wir die anderen ein für allemal verloren?«
    »Ich hab wirklich keine Ahnung.« Völlig übermüdet und niedergeschlagen rang Renie darum, ihre Gedanken zu sammeln. »Wir können warten und hoffen, daß Sellars uns findet, bevor es welche von diesen Gralsleuten tun. Wir können weiterziehen, weiter Ausschau halten nach diesem … was hat Sellars gesagt, wie der Mann hieß?«
    !Xabbu legte seine Affenstirn in nachdenkliche Falten. »Jonas«, sagte er schließlich. »Sellars redete im Traum mit ihm. Er hat ihn befreit, sagte er.«
    »Richtig. Womit wir haargenau nichts darüber wissen, wo er sein könnte. Wie sollen wir ihn überhaupt finden? Indem wir dem Fluß folgen? Woher sollen wir wissen, daß er nicht Millionen Meilen weit durch den virtuellen Raum führt? Er könnte eine Art Möbiusscher Fluß sein, Herrgott nochmal, und sich fortlaufend verändern, so daß er gar kein Ende hat.«
    »Du bist unglücklich«, sagte !Xabbu . »Ich glaube nicht, daß es so schlimm ist. Schau dich doch einmal hier um! Denk an das Land von diesem Atasco. Es kann nicht so viele reiche Menschen auf der Welt geben, daß sie eine Million derart komplizierter Environments konstruieren könnten.«
    Renie lächelte müde. »Du hast wahrscheinlich recht. Damit wäre also die Marschrichtung klar, was? Zurück zum Fluß und hoffen, daß wir Martine und die übrigen finden – oder diesen Jonas. Hast du je den Ausdruck gehört, ›eine Nadel in einem Heuhaufen suchen‹?«
    !Xabbu schüttelte seinen schmalen Kopf. »Nein. Bei uns gibt’s keine Heuhaufen.«
     
    Ihre Träume kamen und gingen, ohne daß sie es recht merkte, wie frühmorgendliche Regenschauer. Zusammengerollt auf dem Boden des imaginären Konferenzraumes liegend wachte sie auf und lauschte !Xabbus ruhigen Atemzügen neben sich.
    Eine Erinnerung durchwehte sie, zunächst nur ein Bild, eine Verquickung von Hören und Fühlen. Als er noch klein war, kam Stephen an kalten Morgen immer zu ihr ins Bett gekrabbelt. Ein Weilchen murmelte er verschlafen wirres Zeug, dann kuschelte er sich an sie und war wenige Sekunden später wieder ganz fest eingeschlafen, während Renie halb wach dalag und schicksalsergeben auf das Klingeln des Weckers wartete.
    Er war schrecklich, dieser Zwischenzustand, in dem Stephen sich jetzt befand, dieses unentschiedene Nichts. Wenigstens ihre Mutter war eindeutig gestorben, man konnte sie ordentlich vermissen und betrauern und ihr hin und wieder Vorwürfe machen. Stephen war weder tot noch lebendig. Nirgendwo. Man konnte nichts machen.
    Nichts als das hier vielleicht, was immer dieses »das hier« letztlich sein mochte. Eine hoffnungslose Suche? Ein konfuser

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