Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer
abgestrampelt haben, meint er, die Zeit würde verrückt spielen.«
Orlando hatte das sichere Gefühl, daß sein wirkliches Gesicht, wo es auch gerade sein mochte, knallrot wurde. »Oh. Tut mir leid.« Er wechselte schnell das Thema. »Also, äh, wollen wir hier die Nacht verbringen? Sollen wir ein Feuer machen oder so?«
Martine, die schweigsam gewesen war, seit William sie ans Ufer getragen hatte, setzte sich plötzlich mit weit aufgerissenen Augen kerzengerade hin. »Da ist etwas …!« Sie hielt sich beide Hände ans Gesicht und rieb so heftig, daß Orlando Angst hatte, sie könnte sich weh tun, selbst noch vermittelt durch die Taktoren. »Nein, jemand …« Ihr Mund klappte auf, und ihr Gesicht verzerrte sich, als ob sie lautlos schrie. Sie stieß eine Hand vor und deutete flußabwärts. »Da! Da ist jemand!«
Alle drehten sich in die Richtung. Ein kurzes Stück entfernt stand eine weißgewandete menschliche Gestalt ihrer Größe und blickte auf etwas am Rand des Flusses nieder, das von dort aus, wo sie saßen, nicht zu sehen war. Orlando rappelte sich mühsam auf, aber wurde sofort von einem Schwindelgefühl erfaßt.
»Orlando, nicht!« Fredericks fuhr hoch und packte ihn am Arm. Orlando taumelte und versuchte einen Schritt vorwärts zu tun, aber er war zu schwach. Er blieb schwankend stehen und hielt krampfhaft das Gleichgewicht.
Florimel eilte bereits über die unwegsamen Steine auf die Stelle zu. Sweet William folgte ihr.
»Paßt auf!« rief Quan Li. Sie trat zu Martine und nahm ihre Hand. Der Sim der Französin starrte immer noch blind ins Leere, und ihr Kopf drehte sich langsam hin und her wie eine Radarantenne, die ein Signal nicht orten kann.
Als Orlando endlich die ersten Schritte zustande brachte, wobei ihm Fredericks’ hartnäckiges Stützen mehr hinderlich als hilfreich war, drehte sich die weißgekleidete Gestalt zu Florimel und William um, als merkte sie eben erst, daß noch andere zugegen waren. Orlando meinte, im Schatten der Kapuze Augen glitzern zu sehen, da verschwand die Figur auch schon.
Fredericks stieß scharf die Luft aus. »Scännig. Hast du das gesehen? Er ist einfach verschwunden!«
»Das ist … VR«,keuchte Orlando. »Was hast du … erwartet, ein … Rauchwölkchen?«
Ihre beiden Gefährten knieten neben etwas, das am Rand des Flusses im seichten Wasser lag. Zuerst dachte Orlando, es wäre irgendein weggeworfenes Maschinenteil, aber es war viel zu blank, um lange im Wasser gewesen zu sein. Als William und Florimel der Maschine halfen, sich hinzusetzen, erkannte Orlando, was es war.
»Seht mal, wen wir da haben!« rief William. »Es ist der Scheppersepp, unser Blechbubi!«
Sie halfen T4b aus dem Wasser, als Orlando gerade an Fredericks’ Arm angetorkelt kam. Ein Beobachter hätte meinen können, daß zwei altehrwürdige berühmte Persönlichkeiten einander vorgestellt werden sollten.
»Alles in Ordnung mit dir?« fragte Fredericks den Kampfroboter. Florimel fing an, T4b durchzuchecken, wie man es bei Unfallopfern machte, die Gelenke zu beugen, den Puls zu nehmen. Orlando hatte seine Zweifel, daß das bei einem Sim von großem Nutzen war. »Also wirklich, wow!« Fredericks holte tief Luft. »Wir dachten, du wärst tot!«
»Wie nennen wir dich überhaupt?« flötete William. »Ich hab ganz vergessen zu fragen. Geht einfach ›T‹, oder sollten wir lieber ›Herr Four Bee‹ sagen?«
T4b stöhnte und hielt sich eine dornenbewehrte Handschuhhand vors Gesicht. »Fühl mich echt fen-fen. Mich hat’n Fisch gefressen.« Er schüttelte den Kopf und hätte beinahe Florimel mit einer seiner Helmzinken ins Auge gestochen. »Und mich gleich wieder ausgekotzt.« Er richtete den Blick aufs Wasser. »Einmal und nie wieder. Hundertpro.«
> »Es ist nichts Besonderes, doch es ist unser trautes Heim«, verkündete Cullen. Renie sah lediglich ein paar verstreute, trübe Lichtpunkte vor sich.
»Halt!« Lenores Stimme war scharf. »Feindliches Flugobjekt auf 12:30 im Anflug.«
»Was ist es?«
»Einer von diesen verdammten Quetzals, glaub ich.« Lenore verzog das Gesicht und wandte sich dann zu Renie und !Xabbu um. »Vögel.«
»Haltet euch fest.« Cullen setzte zum Sturzflug an. »Oder besser noch, nehmt die Gurte da, und schnallt euch an.«
Renie und !Xabbu streiften hastig die Sicherheitsgurte über, die in der Nische hingen. Sie stürzten nur ein paar Sekunden und bremsten dann so scharf ab, daß Renie meinte, wie ein Akkordeon zusammengequetscht zu werden. Daraufhin
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