Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer
darüber, daß es tatsächlich bloß Spiele waren. Frauen dagegen wußten immer, was wichtig war – Baden und Haarewaschen zum Beispiel. »Aber unser Sim ist noch bei der restlichen Gruppe?«
»Ja. Außer den beiden sind alle noch zusammen. Aber sie befinden sich zweifellos in einer gefährlichen Situation, so daß wir sie alle jederzeit verlieren können. Ich muß unbedingt ein paar der Sachen recherchieren, über die sie bereits geredet haben. Solange ich den Sim führe, geht das nicht.«
»Könnte das möglicherweise eine Stunde warten? Ich bezweifle nicht, daß du müde bist, aber ich bin eben erst durch diese Tür gekommen, und ich muß was essen, bevor ich umkippe.« Männer hatten zwar keinen Sinn für Reinlichkeit, aber für Essen gewöhnlich schon.
Er blickte sie lange an. Der Ausdruck auf seinem Gesicht ließ einen Ausbruch oder wenigstens harsche Kritik erwarten, doch statt dessen grinste er plötzlich, daß die Zähne in seinem dunklen Gesicht blitzten. »Natürlich«, sagte er. »Entschuldige bitte.«
Dulcy wurde aus dem Mann nicht recht schlau – seine merkwürdigen Reaktionen wie gerade eben, das gelegentliche Aufleuchten von Brillanz, die Albernheit seines Spitznamens ergaben insgesamt kein stimmiges Bild. Es wurmte sie, ihn nicht einordnen zu können. »Ich muß wirklich erstmal…«, begann sie.
»Ruf mich zurück, wenn du soweit bist.« Er brach den Kontakt ab.
Dulcy blickte auf Jones nieder, die zurückgekommen war und geduldig neben ihren bestrumpften Füßen saß. »Schnell, schnell, schnell«, erklärte Dulcy ihr. »Immer muß alles schnell gehen.« Jones klappte ihre runden Augen zu; sie schien ebenfalls der Meinung zu sein, daß sich das wirklich nicht gehörte.
Ihre lockigen roten Haare waren in einen Handtuchturban gewickelt, und ihr weichster Bademantel umschmeichelte ihre feuchte, jetzt aber wunderbar saubere Haut. Sie hatte sich mit hochgelegten Füßen und einer Tube Mangojoghurt in der Hand auf der Couch langgemacht, und Jones lag bequem – jedenfalls für Jones war es bequem – auf ihren Schenkeln.
Ich bin vielleicht eine, dachte sie. Ich habe jemand erschossen. Es gibt viele Männer, die das gar nicht fertigbrächten. Aber ich bin die Ruhe selbst. Sie vergewisserte sich, daß ihre Pose diese eindrucksvolle Festigkeit zum Ausdruck brachte. »Jetzt«, sagte sie zu dem Wandbildschirm, »kannst du die letzte Nummer nochmal wählen.«
Dread erschien in dreifacher Lebensgröße. Er wirkte nicht mehr ganz so überdreht. »Sie schlafen alle, daher ist es nicht so dringend. Der Rep macht sich großartig – ein kleiner Schnarcher hier, ein leichtes Zucken da. Du leistest gute Arbeit.«
»Vielen Dank.«
»Hast du was gegessen?« Seine dunklen Augen glitten in einer Weise, die sie sowohl aufreizend als auch irgendwie abschätzig fand, von Kopf bis Fuß über ihre im Bademantel hindrapierte Gestalt. »Ich würde dich bei der Gelegenheit gern auf den neuesten Stand bringen.«
»Ich bin versorgt.« Sie schwenkte die Joghurttube. »Schieß los.«
Dread fing an dem Punkt an, wo sie ihm am Morgen den Sim übergeben hatte, als die ganze Schar noch auf dem zum Blatt gewordenen Schiff den Fluß hinunterschwamm, und endete beim gegenwärtigen Stand der Dinge. Seine besondere Sorge galt dem kohärenten Verhalten ihrer Figur und den nahtlosen Übergängen. »Wir sollten uns wirklich nach einem Agentengear umsehen, das mittendrin subvokalisierte Memos aufzeichnen kann«, sagte er. »Wenn viel los ist, vergessen wir sonst bei einer Übergabe womöglich ein wichtiges Detail und riskieren eine Enttarnung.«
Dulcy fragte sich im stillen, wie lange er das Spiel wohl noch treiben wollte, doch dann erinnerte sie sich, daß sie sich mit der Sonderzulage, die er bereits auf ihr Konto überwiesen hatte, und dem Geld, das er ihr für ihre Simeinsätze versprochen hatte, wenigstens ein oder zwei Jahre auf die faule Haut legen konnte. Soviel Freiheit war schon ein Opfer wert.
Ein anderer Teil von ihr wunderte sich darüber, wie rasch Celestino nichts weiter als eine Zahl auf ihrem Bankkonto geworden war.
Laut sagte sie: »Wäre es denkbar, daß wir jemand Drittes als Helfer hinzuziehen? Selbst wenn diese Leute acht Stunden am Tag schlafen, ist das immer noch ein voller Arbeitstag für uns beide, sieben Tage die Woche, auf unbegrenzte Zeit. Ich könnte wahrscheinlich jemand auftreiben, der uns helfen würde.«
Dread verstummte, sein Gesicht wurde ausdruckslos. »Du hast jemanden, den du mit
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