Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
Buhne. Menschen, die in dem allgemeinen Geschiebe zu Boden gedrückt wurden, schrien um Hilfe, doch ihre dumpfen, erstickten Töne währten nicht lange. »Wenn ihr nicht gegen mich kämpfen wollt, Aasfresser, wer dann?« knurrte Saf. »Ich werde unter deinen Schildkrötenmännern wüten wie Bastet in einem Rattennest.«
»Zweifellos«, erwiderte Tefi gelassen. »Zweifellos.« Er bewegte sich rückwärts auf das Tor zu. Mewat bleckte erst noch feixend seine windschiefen Fänge und folgte ihm dann.
»Sie ziehen ab!« freute sich Fredericks in unterdrücktem Flüsterton. Auch Orlando erfüllte der Rückzug des Geiers und der Kobra mit kolossaler Erleichterung, die sich jedoch schnell legte, als drei große Gestalten an den beiden vorbei durch den Tempeleingang traten.
»O Mann, das dumpft«, murmelte Orlando. »Das dumpft ultra!«
Die drei Götter – denn das waren die übermenschlich großen Erscheinungen zweifellos, die sich mit der Gewandtheit von Tänzern und dem Imponiergehabe von Motorradrowdys bewegten – stellten sich vor Saf auf, der sich nunmehr auf die Hinterhand setzte; sein Kopf überragte alles und jeden unter dem Tempeldach. Das Trommeln der Schildkrötenmänner wurde lauter.
»Interessant«, sagte der auf seinem Sockel sitzende Bes so ruhig, als schaute er in einer Eckkneipe bei einem Wettkampf im Armdrücken zu. »Ich frage mich, mit was für Versprechungen Tefi und Mewat die Kriegsgötter in die Sache reingezogen haben.«
»Kriegsgötter?« Die Frage bedurfte eigentlich keiner Antwort – ein Blick auf den riesenhaften, stierköpfigen Anführer reichte aus, um Orlando davon zu überzeugen, daß es stimmte. Bei all seiner Länge und Schärfe war das Krummschwert des Stiermannes doch noch weniger furchterregend als seine nackten Arme mit ihren Muskelpaketen, die aussahen, als hätte er das Tempeltor ganz allein aus den Angeln drehen können. Die anderen beiden Angreifer, ein Mann und eine Frau, wirkten nicht minder gewaltig. Dem Gott wuchsen lange Gazellenhörner aus dem Schädel; Blitze züngelten seine Arme hinauf und hinunter und sprühten um den Kopf seiner Streitkeule. Die Göttin, die größte der drei, war in ein Pantherfell gehüllt und hielt wurfbereit einen Speer in der Hand, mit dem sie ein Dutzend Männer gleichzeitig aufspießen konnte. Orlando war plötzlich klar, weshalb Bes sich über die Vorstellung lustig gemacht hatte, er und Fredericks könnten ebenfalls Kriegsgötter sein.
»Month kann ich ja verstehen«, fuhr der Zwerg fort. »Das ist der Stierschädel da. Er hat reichlich Probleme zuhause, denn seine Frau ist auf Amun scharf wie eine läufige Hündin, und die Leute reden hinter seinem Rücken. Aber Anath und Reschef? Klar, sie ist immer für einen Kampf zu haben, und Reschef ist ein neuer Gott – vielleicht will er sich einen Namen machen. Die Harfner würden ewig von einem singen, der mächtig genug war, einen der großen Sphinxe zu töten.«
»Kann denn niemand sie aufhalten?« fragte Orlando. Die Menge stöhnte wieder wie ein verwundetes Tier, gefangen, verängstigt, gebannt. Die Kriegsgötter machten einen Scheinangriff auf den Sphinx, und die Zuschauer schrien entsetzt auf. Ein blendender Blitz aus Reschefs Hand zuckte krachend zur Decke empor und hinterließ einen Brandgeruch in der Luft. »Warum tust du nicht was?«
»Ich?« Bes schüttelte seinen unverhältnismäßig großen Kopf. »Ich wollte gerade nach Hause gehen, aber jetzt ist es zu spät. Ich werde zusehen, daß ich den größeren Kindern bei ihren Spielen nicht in die Quere komme.« Er rutschte von der Säule herunter und eilte auf seinen O-Beinen überraschend flink an der Wand entlang davon.
»Wo läufst du hin?« schrie Orlando dem kleinen Gott hinterher.
»Einer der Vorteile an meiner Größe ist«, rief Bes über die Schulter, »daß sich mir viele prima Verstecke bieten, o Göttchen von jenseits des Großen Grünen. Urnen mag ich besonders gern.« Er verschwand im zügigen Trab im Schatten.
Ein Wutgebrüll gefolgt von einer weiteren gleißenden Funkenentladung zog Orlandos Aufmerksamkeit zum Kampf am Eingang zurück. Anath und Reschef hatten gleichzeitig angegriffen; die Göttin hatte ihren Speer in Safs haushohe Flanke versenkt und war dann rechtzeitig zurückgesprungen, der Gott mit den Gazellenhörnern jedoch hatte weniger Glück gehabt und krümmte sich jetzt unter der Pranke des Sphinx. Wieder flammte ein Blitz auf; Saf zog seine angesengten Klauen zurück, so daß Reschef außer Reichweite
Weitere Kostenlose Bücher