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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wißt nicht, was in meinem Herzen ist, woran ich alles zu denken habe. In vielen der Simulationen herrscht tödliches Chaos, und die meisten dieser Gateways führen in Welten, die mittlerweile nur noch einen funktionierenden Durchgang haben. Wenn ich uns in eine dieser Welten versetze und dieses eine Gateway ebenfalls ausfällt, was dann? Selbst wenn wir am Leben bleiben, haben wir dann den Kampf verloren!« Er gewann langsam seine Selbstbeherrschung wieder. »Ich tue die Arbeit, deretwegen ich hier bin«, sagte er sanfter. »Ich hatte nicht damit gerechnet, so kritische Probleme derart rasch lösen zu müssen, aber es ist meine Aufgabe, und ich werde sie erfüllen.«
    Er wurde von Herrn Pingalap unterbrochen, der eilig durch das Gateway zurückkam. »Es ist mir nicht geheuer«, meldete der alte Mann, »aber ich denke, es ist dein Schattenland – dunkel, sehr dunkel. Ein paar schwache Lichter und Bewegungen wie von lebendigen Wesen – von großen Wesen, glaube ich.« Er schlang die knochigen Arme um seine dünne Brust.
    »Dann müssen wir jetzt den Zyklus so schnell wie möglich durchlaufen lassen«, erklärte Nandi. »Ihr Jungs müßt los und Missus Simpkins und die andern finden. Überredet sie, sofort zurückzukommen. Seid versichert, wenn mir ein Ort einfällt, an den ich sie alle bringen kann, werde ich es tun. Es hat keinen Zweck, sich hier zu opfern – das ist nicht mehr unser Kampf.«
    »Sie überreden?« Orlando bemühte sich zu verstehen, aber es fiel ihm schwer, die Geduld zu bewahren. »Kannst du’s ihnen nicht einfach befehlen oder so?«
    »Wenn ich ihnen Befehle geben könnte, wäre unsere Gemeinschaft kein Kreis.« Nandis Gesicht wurde einen Moment lang fast allzu menschlich, abgespannt und sorgenvoll, aber er rang sich ein schwaches Lächeln ab. »Wir haben eine große Aufgabe zu bewältigen, weißt du? Jeder trägt sein Teil dazu bei. Und dies hier ist mein Teil der Aufgabe.« Er wandte sich ab und machte die Handbewegungen, mit denen er ein neues Gateway aufrief.
     
    Im Tempel war es unheimlich still geworden.
    Orlando und Fredericks gingen vorsichtig aus Nandis Gatewaykammer und durch den anschließenden dunklen Vorraum, bis sie in der Tür standen. Sie wußten, daß sie die übrigen Mitglieder des Kreises finden mußten, aber es war ihnen unmöglich, die Vorgänge am anderen Ende des Saales zu ignorieren.
    Wo vorher das haushohe Bronzetor gewesen war, sah man jetzt einen nachtschwarzen Ausschnitt des Himmels, aber der Vorderteil des Raumes war von den Fackeln mehrerer hundert Soldaten erhellt, die sich im Vorbau des Tempels drängten, Glied um Glied. Sie waren nicht die einzigen Besucher. Eine Phalanx merkwürdig lederig aussehender Männer stand unmittelbar hinter den kaputten Torflügeln, alle mit glänzenden Glatzen und mit schlechtsitzender grauer Haut. Jeder steckte vom Hals bis zum Schritt in einem dicken Plattenpanzer, der irgendwie Teil des Körpers zu sein schien, und hielt in der Hand einen wuchtigen Schlegel mit einem massiven Holzstiel und einem Stein als Kopf. Die im Tempel Versammelten waren vom Eingang zurückgewichen und standen im hinteren Teil zusammengepfercht an den Wänden. Nur der gewaltige Sphinx Saf hatte sich vor den Eindringlingen aufgebaut und hielt sie ganz allein in Schach.
    »Die Furcht vor Osiris war also größer als die Ehrfurcht vor Großvater Re«, sagte eine rauhe Stimme an Orlandos Knie. Der häßliche kleine Hausgott Bes kletterte auf eine Ziersäule neben ihm, wobei er eine schöne Vase umstieß, bevor er sich setzte. In dem nahezu stillen Tempel ließ selbst das Geräusch des zersplitternden Tongefäßes eine Panikwelle durch die Menge laufen, doch die Belagerer und der Sphinx verharrten regungslos wie ein Tableau. »Seht nur, sie haben die Kreaturen der Nacht in den Tempel des Sonnengottes gebracht.« Bes deutete auf die stummen, ledrigen Gestalten im Eingang. »Schildkrötenmänner! Ich dachte, sie wären alle vor langer Zeit von Seth in der roten Wüste getötet worden. Aber jetzt haben Tefi und Mewat sie im Herzen von Abydos losgelassen – selbst die Tür von Res Haus haben sie aufgebrochen.« Er schüttelte den Kopf, doch der Ausdruck auf seinem fratzenhaften Gesicht wirkte beinahe so fasziniert wie entsetzt. »Was sind das bloß für Zeiten!«
    Die Szene vibrierte derart von potentieller Gewalt, daß Orlando nicht die Augen davon abwenden konnte. Er griff nach Fredericks’ Arm und merkte, daß sein Freund vor Anspannung zitterte. »Was …?«

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