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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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alles gesehen, was es an Wundern zu sehen gibt! Sie ist Wirklichkeit! Nicht bloß ein altes Märchen!« Mit der grotesken Vielgelenkigkeit einer Stabschrecke setzte er sich kopfschüttelnd auf. »Davon werden sie sich in der Bibliothek noch in Generationen erzählen.«
    Es schien ihm völlig entgangen zu sein, daß sie nur knapp dem Tod entronnen waren, dachte Renie säuerlich. »Aber was wollte sie, diese … Madonna? Ich konnte mir überhaupt keinen Reim darauf machen.« Sie wandte sich Kunohara zu. »Was zum Teufel läuft hier eigentlich?«
    Er breitete die Hände aus. »Ihr seid nach Troja bestellt worden. Das ist eine Simulation, wie deine Freundin schon sagte, aber zudem war es die erste Simulation, die von der Gralsbruderschaft erbaut wurde. Nahe dem Kern des Ganzen.«
    »Was meinst du mit ›Kern des Ganzen‹? Und woher weißt du so viel – du hast gesagt, du würdest nicht zum Gral gehören.«
    »Ich gehöre auch nicht zur Sonne und weiß doch, wann es am Nachmittag heiß wird oder wann der Abend kommt.« Zufrieden mit diesem Sinnspruch nickte er.
    Florimel murrte: »Wir haben die Rätsel satt, Kunohara.«
    »Dann wird Troja viele Enttäuschungen für euch bereithalten.« Er klatschte sich auf die Schenkel und stand auf, dann machte er eine ironische kleine Verbeugung vor der Statue der Mutter, ehe er sich ihnen wieder zudrehte. »Im Ernst, ihr könnt euch so eine Miesepetrigkeit nicht leisten – ihr schimpft auf Rätsel, aber wodurch wird man weise? Habt ihr die Rätsel gelöst, die ich euch beim letztenmal aufgegeben habe? Dollos Gesetz und Kishimo-jin? Ein bißchen Verständnis könnte für euren Teil der Geschichte nicht schaden.«
    »Geschichte! Ständig redest du von einer Geschichte!« Renie hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben, aber sie wurde die Erinnerung an das entsetzte Gesicht des Räubers Saufaus nicht los, an die Flammen, die Kunohara sekundenlang an ihm hatte auflodern lassen. Wer konnte sagen, was in einer irrealen Welt real war? Kunohara hatte sich als einen der Götter von Anderland bezeichnet, und damit hatte er recht.
    »Bitte, Herr Kunohara, was bedeutet das?« fragte !Xabbu und griff dabei nach Renies Hand, um sie zu beruhigen. »Du sprichst von einer Geschichte, und die Frau – die Madonna der Fenster – sprach von einem, der uns träumt. Traum ist mein Name, in der Sprache meines Volkes. Ich dachte, wir wären in einer Welt rein mechanischer Dinge, aber ich bin mir nicht mehr sicher, ob das stimmt. Vielleicht, so frage ich mich, gibt es einen tieferen Grund für mein Hiersein – oder einen höheren Zweck. Wenn ja, würde ich ihn gern erfahren.«
    Zu Renies Überraschung betrachtete Kunohara !Xabbu geradezu hochachtungsvoll. »Du hörst dich ein wenig wie die Leute vom Kreis an, aber vernünftiger«, sagte der Insektenfreund. »Zu Träumen kann ich nichts sagen – in einem derart komplizierten Netzwerk gibt es viel, was niemand wissen kann, nicht einmal die Erbauer, und es gab auch viele Details, die die Bruderschaft vor uns übrigen verborgen hielt. Aber daß es eine Geschichte gibt, müßtet ihr mittlerweile eigentlich gemerkt haben. Das gesamte Netzwerk hat irgendwie seinen Zufallscharakter verloren«, er stockte grübelnd, »… oder vielleicht ist Zufall ja selbst nur ein Name für Geschichten, die wir noch nicht als solche erkannt haben.«
    »Du willst damit sagen, daß irgend etwas das Netzwerk lenkt?« fragte Florimel. »Aber das wußten wir schon. Das liegt doch bestimmt in der Absicht der Gralsbruderschaft – es ist schließlich ihre Erfindung.«
    »Vielleicht ist es das Betriebssystem selbst …«, meinte Renie. »Es muß sehr kompliziert sein, sehr hoch entwickelt.«
    »Nein, ich meine, daß etwas noch Subtileres am Werk ist.« Kunohara schüttelte ungeduldig den Kopf. »Was mir durch den Kopf geht, kann ich wahrscheinlich nicht erklären. Es spielt keine Rolle.« Er ließ mit gespielter Niedergeschlagenheit den Kopf hängen. »Die Hirngespinste eines einsamen Mannes.«
    »Bitte, sag sie uns!« Renie hatte Angst, er könnte wieder verschwinden, wie er es schon zweimal getan hatte. Trotz seines Sarkasmus war sein Unbehagen an der Situation deutlich spürbar – er war kein Mann, der sich in der Gegenwart anderer wohlfühlte.
    Kunohara schloß die Augen. Einen Moment lang schien er mit sich selbst zu sprechen. »Es geht nicht. Ein Geschichten-Mem? Wer würde so etwas machen? Wer könnte so etwas machen? Man kann keinen Mechanismus mit Worten

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