Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
bittet ebenfalls, vorgelassen zu werden.«
»Sag ihnen allen, sie sollen weggehen.« Orlando schaffte es, eine zitternde Hand zu heben. »Ich bin krank. Ich kann mit niemand reden. Vielleicht später.«
Der Krieger schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann nickte er, stand auf und ging auf leisen Sohlen hinaus.
Orlando ließ die Hand sinken. Konnte er sich aufraffen, das Ganze noch einmal auf sich zu nehmen? Wie? Zu wählen war eine Sache, eine andere war es, die Kraft zum Durchhalten aufzubringen. Was war, wenn es nicht ging? Wenn er sich einfach nicht mehr erholte?
Es kratzte an der Hüttenwand, leise, aber beharrlich. Orlando fühlte Ärger in sich hoch kochen – hatte er nicht gerade laut und deutlich erklärt, sie sollten ihn alle in Ruhe lassen? Er sammelte seine Energie, um zu schreien, doch dann blieb ihm der Mund offen stehen, als eine kleine Gestalt durch die Lücke gekrochen kam, die zwischen Wand und Boden klaffte.
»Kennst du dich nicht aus?« fragte die Schildkröte und fixierte ihn mit einem Auge wie ein Teertropfen. »Keine Sorge, ich werde dir sagen, was du wissen mußt. Der stabführende König ist Agamemnon, und er grämt sich, weil du dich mit ihm wegen eines erbeuteten Mädchens überworfen hast.«
Orlando stöhnte. Es klang wie eines der üblichen dämlichen Thargorabenteuer, aber diesmal war er nicht mehr imstande mitzumachen. »Ich will bloß, daß sie mich in Frieden lassen.«
»Ohne dich können die Achäer nicht gewinnen.«
»Achäer?« Er schloß die Augen und ließ den Kopf hängen, aber die Stimme der Schildkröte war nicht so leicht abzustellen.
»Die Griechen, sagen wir dann halt. Das Heer der Verbündeten, die ausgezogen sind, Troja zu erobern.«
Also war er doch nach Troja gekommen. Aber dieses Wissen verschaffte ihm keine Befriedigung. »Ich muß dringend schlafen. Was wollen sie alle von mir? Wen zum Teufel stelle ich eigentlich dar?«
Es entstand eine Pause, in der das Kriechtier über den Erdfußboden bis dicht an seine herabhängende Hand krabbelte. »Du bist Achilles, der größte aller Helden«, sagte sie und stupste dabei mit ihrem kühlen, rauhen Köpfchen seine Finger an. »Macht dich das nicht stolz?« Orlando versuchte die Schildkröte wegzuwischen, aber sie kroch mit überraschender Flinkheit aus seiner Reichweite. »Der große Achilles, dessen Taten Legende sind. Deine Mutter ist eine Göttin! Die Barden singen deinen Ruhm! Selbst die Helden Trojas zittern bei deinem Namen, und viele Städte hast du in rauchende Trümmer gelegt …«
Orlando hielt sich die Ohren zu, und trotzdem hörte er weiter die referierende Stimme. Er vermißte Beezle mehr denn je.
»Bitte, laß mich allein«, murmelte er, aber anscheinend nicht laut genug, daß die Schildkröte es hörte. Mit der gräßlichen Munterkeit eines Reiseleiters trug sie ihm weiter seine phantastische Lebensgeschichte vor, auch als Orlando sich längst umgedreht und sich das Bettzeug fest um den Kopf geschlungen hatte.
Kapitel
Beim Elefanten
NETFEED/NACHRICHTEN:
Ermittler spricht von »Volksverdummung«
(Bild: Warringer bei Nachforschungen in Sand Creek)
Off-Stimme: Die Verwüstung, die ein aus der Flugbahn geratener Satellit angerichtet hat, und die Entdeckung alter Besiedlungsspuren in der Antarktis haben die UFO-Debatte in den Medien neu angeheizt, ein Fall von »periodisch wiederkehrender Volksverdummung«, wie der Autor und Ermittler Aloysius Warringer meint.
(Bild: Warringer zuhause vor dem Wandbildschirm)
Warringer: »Alle paar Jahre geht das wieder los. Seit Jahrzehnten suchen wir nach intelligentem Leben auf anderen Planeten und finden keines, aber sobald das Thema Weltraum in irgendeinem Zusammenhang aktuell wird, werden jedesmal wieder die alten Verschwörungstheorien vom Misthaufen geholt. ’Außerirdische sind gelandet, und die Regierung verheimlicht es!’ Roswell, Sand Creek in South Dakota, die ganzen ollen Kamellen werden wieder breitgetreten. Aber wer kümmert sich um die wirklichen Probleme? Was ist mit Anfords Gekungel mit den Antimonetaristen, die den Goldstandard wieder einführen wollen? Was ist mit dem Atasco-Attentat? Mit der anhaltenden Fluorisierung unseres Wassers?«
> »Ich faß es nicht.« Del Ray Chiume verdrehte so theatralisch die Augen, daß Long Joseph ihm am liebsten in den Hintern getreten hätte. »Du mußt doch wissen, wie du wieder zurückkommst! Was hättest du gemacht, wenn du mich nicht getroffen hättest?«
»Getroffen?« Joseph stieß sich
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