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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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erstaunlicher Vielfalt umringt -Obelisken mit Fenstern, Uhrtürme, steile Pyramiden und nadelspitze Minarette, von dunklen Plastiken strotzende gotische Stümpfe, sogar mächtige zinnengekrönte Hochwarten, die mit ihrem reichen Ornamentschmuck wie in luftiger Höhe thronende Schlösser aussahen. Selbst in dem trüben Licht konnte Renie Hunderte von Türmen erkennen, die hoch über das Dächermeer des Hauses hinausragten.
    »Von einigen weiß ich die Namen, aber nicht von allen«, bemerkte Factum Quintus. »Viele der älteren Namen sind unwiederbringlich verloren, es sei denn, wir finden sie bei der Übersetzung alter Bücher. Der hohe, dünne da ist der Turm zu Spargel. Näher dran ist der Hugolinusturm, und der dort noch weiter vorn wird aus Gründen, die keiner weiß, Gelolitas Herz genannt. Diese zarte Silhouette ganz da hinten könnte, denke ich, der Lugaus der Gartenkönige sein – ja, er scheint die berühmten Höcker zu haben, über die seinerzeit viel diskutiert wurde, auch wenn es zu dunkel ist, um das mit Sicherheit sagen zu können.«
    »Und … und unsere Freundin ist in einem davon?« fragte Renie schließlich.
    »Höchstwahrscheinlich. Und ihr Entführer ebenfalls, weshalb wir zwar sehen, aber nicht gesehen werden wollen und aus dem Grund auch hier eintreffen mußten, solange es noch dunkel war. Aber ich fürchte, es gibt ein weiteres ernstes Problem.« Bei aller aufrichtigen Sorge erlosch doch nicht ganz das faszinierte Leuchten in Bruder Factum Quintus’ Blick, mit dem er den Türmegarten überflog, während dieser mit den ersten Sonnenstrahlen langsam plastische Gestalt gewann. »Das Stuckteilchen, mit dem diese Suche angefangen hat, sagt mir, daß der Entführer eurer Freundin wahrscheinlich durch die langen Korridore aus der Epoche des Fünfsälebunds gegangen ist, die die meisten dieser Türme miteinander verbinden. Man darf annehmen, daß ein Verbrecher sich einen dieser hochgelegenen Punkte als Versteck aussuchen würde – als ›Adlerhorst‹, wie es in alten Schriften heißt –, da sie einerseits abgelegen sind und andererseits doch recht nahe bei der Bibliothek liegen. Aber in welchem von ihnen allen eure Freundin sich tatsächlich aufhält … das kann ich leider auch nicht sagen.«
     
    »Das ist absurd«, erklärte Renie kategorisch. »Es ist zu riskant.« Sie war erschöpft und brauchte dringend Schlaf, aber dies hier mußte zuerst noch klargestellt werden. »Wir können es uns nicht erlauben, anders zu suchen als in der geschlossenen Gruppe. Deswegen hat der Kerl Martine überhaupt erst in seine Gewalt gebracht – weil sie ein Stück zurückblieb. Er hat sie aus der Herde ausgespäht wie ein Löwe eine Antilope.«
    »Aber was er sagt, ist richtig, Renie …«, begann Florimel.
    »Nein! Ich laß es nicht zu!«
    !Xabbu zockelte durch den staubigen Raum, nicht auf allen vieren, aber auch nicht ganz aufgerichtet, wodurch sich der Unterschied zwischen seiner wirklichen Person und seinem Simkörper in einer Weise verwischte, die sie immer leicht nervös machte. »Es freut mich, daß du dich um mich sorgst, meine Freundin, aber ich halte es für das beste.«
    Die Müdigkeit machte Renie stur. Auch wenn !Xabbus Argumente ziemlich hieb- und stichfest waren, Renie wollte partout nicht nachgeben. »Wir sollen dich also einfach allein losziehen lassen, was? Es toll finden, daß du nicht bloß hinter einem Mörder herjagen, sondern auch noch in mörderischen Höhen rumklettern willst?«
    »Können wir das langsam exen, damit ich ’ne Weile auf Delta kann?« knurrte T4b. »Er issen Affe, tick? Affen klettern.«
    Auf der Suche nach Verbündeten blieb Renies Blick an Factum Quintus hängen, doch der zuckte mit den Achseln. »Ich habe dazu keine Meinung«, sagte er. »Aber, wie gesagt, es wird Tage dauern, wenn wir treppauf und treppab laufen und diese ganzen Türme zu Fuß durchsuchen wollen, und in sehr wenigen würden wir in die oberen Räume gelangen können, ohne vorher die Aufmerksamkeit etwaiger Bewohner zu erregen.«
    Renie preßte die Lippen zusammen und verkniff sich eine bissige Erwiderung, die niemanden überzeugt hätte. Sie hatte nichts davon, wenn sie ihre Freunde gegen sich aufbrachte. Zumal sie ihren Hauptbeweggrund gar nicht nennen konnte, wenn sie sich nicht als Egoistin bloßstellen wollte: Sie hatte schreckliche Angst davor, !Xabbu zu verlieren. Nach allem, was sie zusammen erlebt hatten, konnte sie sich nicht vorstellen, wo sie die Kraft hernehmen sollte, ohne ihn

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