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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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näherte, erblickte ihn die Käferin. Vor Aufregung konnte sie sich nicht beherrschen. Sie rief: ›Schau nur, schau, da kommt ein Mann!‹ Ihr Vater hörte den Ruf, und als der Langnasenmäuserich in die Erde eindrang, fiel ihn der Eidechs im Dunkeln an und tötete ihn.
    ›Wer will einem Vater vorschreiben, was er tun darf und was nicht?‹ sagte der Eidechs. Er war so stolz und froh, daß er tanzte. Das Käfermädchen weinte.
    Als dem Mantis zu Ohren kam, was geschehen war, war er traurig und angsterfüllt. Die Sippe der Langnasenmäuse hörte es ebenfalls, und ein Mäuserich nach dem anderen begab sich in das Eidechsenloch, um den Bruder zu rächen, doch der Eidechs versteckte sich jedesmal, bis der Mäuserich sich in den dunklen Gängen verirrt hatte, fiel dann über ihn her und tötete ihn. Bald waren alle Männer der Langnasenmäuse tot. Ihre Frauen und Kinder erhoben ein großes Klagegeschrei, und es war so laut, daß es Großvater Mantis schmerzte, so laut, daß er drei Tage lang nicht schlafen konnte.
    Als er zuletzt doch einschlief, hatte er abermals einen Traum, und als er daraus erwachte, rief er sein ganzes Volk zusammen. ›In meinem Traum habe ich den Eidechs die Langnasenmäuse töten sehen, und das ist etwas, das nicht sein darf. In meinem Traum habe ich mich mit mir selbst besprochen und viel nachgedacht, und ich finde, daß es jetzt am Striemenmäuserich ist, auszuziehen und die junge Frau zu retten, die Käferin.‹
    Der Striemenmäuserich war jung, still und schlau, und er wußte, daß man sich über die Träume des Mantis nicht hinwegsetzen durfte. ›Ich werde gehen‹, sagte er und brach auf. Doch als er an den Ort gelangte, wo der Eidechs wohnte und wo so viele vor ihm gefallen waren, dachte der Striemenmäuserich bei sich: ›Warum soll ich mich durch dieses Loch ins Dunkel hinabbegeben, wenn ich doch weiß, daß der Eidechs auf der Lauer liegt? Ich werde mir selbst ein Loch graben.‹ Sprach’s und wühlte sich in die Erde ein, denn Striemenmäuse sind gute Gräber, bis er schließlich auf den Gang des Eidechs stieß. Weil er aber still und schlau war, kam der Striemenmäuserich mit seinem Loch hinter der Stelle heraus, wo der Eidechs lauerte, und so konnte er den Eidechs von hinten anfallen. Sie kämpften lange, bis der Striemenmäuserich zuletzt die Oberhand gewann.
    Voll Angst und Verzweiflung schrie der Eidechs: ›Warum tötest du mich? Warum erhebst du gegen mich die Hand?‹
    ›Die Freunde zu retten töte ich dich, auf mich allein gestellt‹, rief der Striemenmäuserich, und damit fiel der Eidechs tot vor ihm zu Boden. Der Striemenmäuserich fand das Käfermädchen, und obwohl sie sich fürchtete, führte er sie aus dem Loch hinaus ans Licht. Als er das tat, geschah etwas Wunderbares, denn alle Langnasenmäuse, die gefallen waren, erwachten mit dem Ruf ›Da bin ich!‹ wieder zum Leben. Einer nach dem anderen traten sie hinter dem Striemenmäuserich und der Käferin ans Tageslicht, und jeder hatte einen Fliegenwedel in der Hand und hielt ihn über den Kopf wie eine Fahne. Der Striemenmäuserich war sehr stolz, als er neben der Käferin einherging, und beide waren von großem Glück erfüllt, denn er fühlte sich bereits als Mann der jungen Frau und sie fühlte, daß sie ganz und gar ihm gehörte.
    So gelangten sie zum Mantis, und dieser stand auf und schloß sich ihnen an. Als sie in das Dorf einzogen, wo die Langnasenmäuse lebten, und ihre Fliegenwedel schwenkten, wogte das Steppengras dazu. Alle Frauen und Kinder der Langnasenmäuse kamen herausgestürzt und stießen Jubelschreie aus, weil ihre Männer wieder am Leben waren, und Großvater Mantis sah es voll Staunen und Freude mit an und wunderte sich nicht wenig, wie gut er geträumt hatte.«
    Merkwürdigerweise fühlte Renie sich entspannter, als !Xabbu mit seiner Geschichte fertig war, aber sie konnte sich nicht völlig von den nagenden Sorgen freimachen. »Das war eine schöne Geschichte«, sagte sie zu ihm, »aber ich würde mir trotzdem lieber etwas anderes ausdenken, wie wir Martine suchen können.«
    Selbst nach all dieser Zeit fiel es ihr immer noch nicht ganz leicht, das Pavianmienenspiel zu deuten, doch er schien zu lächeln. »Aber genau davon handelt meine Geschichte, Renie. Manche Dinge können nur von einem bestimmten Menschen getan werden – vom richtigen Menschen. Ich spüre, daß ich dieser Mensch bin. Und manchmal, will uns die Geschichte sagen, müssen wir alle auf den Traum vertrauen, der uns

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