Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
müssen.«
Die Rüstmeister, die sich geehrt fühlten, den Gefährten des allem Anschein nach berühmten Glaukos aus Lykien zu Diensten zu sein, beeilten sich, Renie und !Xabbu zu wappnen. Als die Arbeiter mit völliger Selbstverständlichkeit an ihr herumfingerten, bemühte Renie sich nach Kräften, nicht zurückzuzucken, und sagte sich immer wieder, daß sie jetzt ein Mann war. Sie banden ihr eine gefütterte Linnenmatte um die Brust, hängten ihr dann einen zweischaligen bronzenen Glockenpanzer über die Schultern und knoteten ihn an den Seiten zu. Als sie versuchsweise die Arme hob, um zu sehen, wie man in so einer schweren Montur weglaufen oder gar kämpfen konnte, fügten sie noch einen herabhängenden Schurz zum Schutz des Unterleibs und der Leistengegend hinzu und legten ihr dann die linnengefütterten bronzenen Beinschienen an. !Xabbu ließ geduldig eine ähnliche Prozedur über sich ergehen, und Renie konnte nicht anders, als seinen sehnigen, schlanken Körper zu bewundern. Sie fand es sehr erfreulich, daß er kein Pavian mehr war. Er sah sie schauen und lächelte amüsiert.
Verdammt, Frau, das hier ist blutiger Ernst, schalt sie sich. Es ist egal wie gut er aussieht oder wie du aussiehst und ob du jetzt in Gottes Namen ein Mannsbild bist. Draußen vor diesem Tor lagern Männer, die es gar nicht erwarten können, dich mit Pfeilen zu spicken und dir mit der Axt den Kopf abzuhacken.
Gebührend von sich selbst gemaßregelt ließ sie sich zu einem Haufen ausrangierter Helme führen und erhielt einen Kopfschutz, der wenig Ähnlichkeit mit T4bs mächtigem goldenen Helm hatte. Es war vielmehr eine Art Kappe aus steifem Leder, mit langen Ohrenschützern und außen umgeben von Reihen gespaltener Eberzähne, die an beiden Enden durchbohrt und auf das Leder genäht worden waren. Sie hoffte, daß die Hauer einen stabilen Schutz darstellten und nicht nur der Zierde dienten.
»Du hast Glück«, erklärte ihr der Einarmige. »Das ist ein sehr schönes Stück.«
Als !Xabbu seinerseits eine Lederhaube erhalten hatte, begaben sie sich zu einem Stapel hölzerner Schilde, kreisrund oder wie Achten geformt, mit Stierhaut bespannt und am Rand mit Bronze beschlagen. Renie nahm sich einen runden, weil sie sich von dem kleineren Format mehr Mobilität versprach, und !Xabbu folgte ihrem Beispiel. Nachdem sich beide mit einem kurzen Schwert versehen hatten, traten sie zuletzt noch vor den kleinen Wald an der Wand lehnender Lanzen, die alle mehr als doppelt so lang waren wie sie, und suchten sich je eine aus. Statt mehr Sicherheit gab die neue Rüstung Renie das Gefühl, schwerfällig und behindert zu sein. Schon jetzt scheuerte die vordere Platte an ihrer ungewohnt flachen Brust. Während sie die Lanzen mit ihren Bronzespitzen in Augenschein nahm, mußte sie unwillkürlich an die ganzen Griechen draußen vor den Toren denken, die mit ähnlichen Mordinstrumenten versuchen würden, sie aufzuspießen, und einen Moment lang rutschte ihr vor Angst das Herz in die Hose.
Wir gehören hier nicht her. Wir stecken schon wieder bis zum Hals in der Patsche.
»Wenn ich fragen darf, edler Glaukos«, sagte ein alter Mann, der Renie gerade die Schwertscheide an den Gürtel knüpfte, zu T4b, »warum haben deine Freunde keine eigenen Rüstungen? Gibt es eine Geschichte dazu? Die Griechen nehmen den Besiegten meistens den Panzer ab, aber nicht, ohne den Besitzer vorher zu töten.«
T4b, der vor sich hingeträumt hatte, während Renie und !Xabbu ausgerüstet wurden, blickte überrascht auf.
Will er sagen, wir seien Feiglinge? überlegte Renie. Wahrscheinlich bräuchte man eine Weile, um solche Sachen sicher beurteilen zu können, aber wir müssen ja immer gleich mitten reinplatzen. Sie versuchte sich etwas Glaubwürdiges auszudenken. »Unsere … unsere Pferde sind mit unsern Sachen durchgegangen.« Bis jetzt hatten alle Replikanten außer Bruder Factum Quintus ihre Worte für bare Münze genommen; sie hoffte, daß diese trojanischen Sklaven und Freigelassenen das ebenfalls tun würden.
Ihre Hoffnung trog nicht. »O weh, ohne Pferde muß euch der Weg von Lykien hart geworden sein.« Der alte Mann nickte mit ernster Miene. »Aber wir sind dankbar, daß ihr hier seid. Ohne euch Lykier und Dardaner und die andern wäre Troja schon vor Jahren gefallen.«
»Ist doch selbstverständlich.« Renie machte T4b mit dem Kinn eine auffordernde Geste. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dann winkte er ihnen zum Zeichen, ihn hinauszubegleiten. Die
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