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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Ich bin ganz sicher, daß ihre Verstörtheit sich nicht allein mit ihrer Jugend und Unbedarftheit erklären läßt – sie hat sich nicht mehr beruhigt, seit Renie und die anderen mich gerettet haben –, aber mir fehlt die Kraft, noch weiter nachzudenken. Genau wie die Tragödie dieser von den launischen Göttern zum Untergang bestimmten Stadt hänge ich in der immergleichen Schleife fest …
    Schlafen. Morgen können wir versuchen, alles besser zu verstehen. Schlafen …
    Code Delphi. Hier aufhören.«
     
     
    > Es war ein merkwürdiger Traum gewesen, wie er häufig bei einem flachen, unruhigen Schlaf auftrat. Stephen war vorn an ein riesiges hölzernes Pferd gefesselt gewesen und hatte ihr zugerufen, er könne alles sehen, er könne ihr Haus in Pinetown sehen und seine Schule, und unterdessen war Renie immer wieder erfolglos hochgesprungen, um ihn zu fassen und wieder auf den Boden herunterzuziehen, wo er sicher gewesen wäre.
    Sie werden das Pferd benutzen, dachte Renie. Sie werden damit die Tore aufbrechen, und sie werden Stephen zerquetschen …
    Halb im Aufwachen schoß ihr noch ein gegenteiliger Gedanke durchs Traumbewußtsein: Nein, warte, das Pferd wird uns retten, weil nur wir darüber Bescheid wissen. Wir werden hineinsteigen und entkommen.
    Aber sie konnten nicht hinein – das Pferd stand vor den Mauern, voll wütender Kinder mit Klauen und verschatteten Gesichtern, und sie und die anderen waren in der Stadt und warteten hilflos …
    Sie schnappte nach Luft und riß die Augen auf. !Xabbu saß über sie gebeugt neben ihr, und aus dem noch unbekannten Gesicht sprach Sorge. »Du hast gequälte Töne gemacht«, sagte er. »Im Traum, meine ich. Sie klangen nicht glücklich.«
    Sie blickte sich um, suchte sich wieder zurechtzufinden. Der Boden war feucht vom Tau. Am Himmel war es noch dunkel, aber die meisten Lagerfeuer waren heruntergebrannt. Über ihnen ragte Trojas berühmtes Tor auf, nur schwach vom Schein der Glut beleckt, links und rechts von Wachtürmen flankiert wie von mächtigen Grabsteinen.
    »Es war bloß … Ich hab von Stephen geträumt.« Sie schüttelte sich. Mehrere andere am Feuer schliefen ebenfalls unruhig; T4b war einer davon. »Bloß ein Traum.«
    Sie unterhielten sich ein Weilchen leise über nichts Wichtiges, tauschten Eindrücke von ihren neuen Körpern aus und bemühten sich dabei um einen Ton der Normalität, obwohl sie beide wußten, daß nichts an ihrer Situation normal war. Läufer eilten von Lagerfeuer zu Lagerfeuer und ermahnten die Männer, sich zu rüsten. Im Osten wurde der Himmel fast unmerklich vom Licht behaucht.
    T4b wirkte nach dem Aufwachen aufgewühlt und verschlossen, seine Großspurigkeit von vorher war weg. Renie war das nur recht – in dem Zustand war kaum zu erwarten, daß er aus jugendlichem Übermut eine Dummheit machte.
    »Kämpfen wir oben von den Mauern runter, irgendwie?« fragte er und ließ seinen Blick über die hohen Zinnen schweifen. In seinen weit aufgerissenen Augen sah man das Weiße rund um die Pupillen.
    »Ich glaube nicht. Ich denke, wir werden die Griechen draußen auf der Ebene angreifen.« Sie runzelte die Stirn. »Aber ich will nicht, daß du überhaupt kämpfst, wenn’s sich vermeiden läßt. Hörst du mich, Javier? Zieh nicht so ein Gesicht – wir haben genug zusammen durchgemacht, daß ich dich bei deinem richtigen Namen nennen kann.«
    Er zuckte mit den Achseln.
    Sie drehte sich etwas zur Seite, um !Xabbu einzubeziehen. »Wir dürfen uns nicht da draußen abschlachten lassen. Wir sind kein Code wie diese Leute. Wir haben die Pflicht, am Leben zu bleiben. Laßt euch bloß nicht von diesem ganzen Ruhmund-Ehre-Quatsch einseifen – das hier ist wie ein Film. Es ist nicht real. Versteht ihr?«
    !Xabbu schenkte ihr ein Lächeln, aber ein kleines. T4b zögerte kurz, dann nickte er. »Habt ihr … Muffe?« fragte er leise. »Angst, irgendwie?«
    »Und ob.« Renie hörte, wie der Läufer am nächsten Lagerfeuer zum Kampf rief, hörte, wie die Männer sich schwerfällig aufrappelten und sich den Tau von Panzer und Waffen klopften. Das allgemeine Regen und Reden wurde lauter. »Eine Heidenangst hab ich. Diese Lanzen und Pfeile können uns genauso gefährlich werden wie im RL Deckt euch mit euren Schilden! Wir bleiben alle zusammen und schützen uns gegenseitig. Wir dürfen nicht getrennt werden!«
    Als die Herolde ihre Gruppe erreichten und sie aufriefen, sich den übrigen anzuschließen, erhob sich Renie, setzte ihren Helm auf und ergriff dann

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