Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Rüstmeister kamen wieder an die Tür, um ihnen alles Gute zu wünschen und einen letzten Blick auf den goldenen Panzer zu werfen.
    Das Lager um das Skäische Tor herum war riesig. Einen Moment lang kehrte Renie die Zuversicht wieder. Selbst wenn die Griechen eine Streitmacht von gleicher Größe aufbieten konnten, gab es hier bestimmt genug Männer, daß es nicht weiter auffiel, wenn sie und ihre Freunde sich aus den vordersten Schlachtreihen verdrückten.
    Einer der Wachposten erkannte T4b und führte sie zu Sarpedon, der irgendwie mit Glaukos verwandt zu sein schien. Der Anführer der lykischen Verbündeten war ebenfalls ein Filmstartyp, nicht ganz so imposant wie Hektor, aber dennoch hochgewachsen und gebaut wie ein olympischer Athlet. Er nahm Renie die hastige Erklärung für T4bs Schweigen ohne weiteres ab.
    »Solange dein Arm noch stark ist, Glaukos«, war auch sein Kommentar, und dazu gab er T4b einen derben Schlag auf die Schulter, bei dem der junge Mann einen Schritt nach vorn taumelte. »Blutige Taten harren unser, wenn die Sonne heraufzieht, und die Griechen werden nicht darauf warten, dich sprechen zu hören, bevor sie deine Stärke mit ihren langschattenden Lanzen erproben.«
    T4bs Lächeln war verkniffen, aber Sarpedon war bereits davongeeilt, um mannhaft von Lagerfeuer zu Lagerfeuer zu schreiten und die lykischen Truppen zum Kampf zu ermuntern. Renie hatte die Trojaner und ihre adligen Muskelprotze bereits gründlich satt. Wenn ihr noch einer etwas von den blutigen Taten erzählte, die bei Tagesanbruch geschehen sollten, würde sie einen Schreikrampf kriegen, hatte sie das Gefühl.
    Sie fanden einen Platz neben einem der Feuer, um das herum ein gutes Dutzend Männer kauerte. Nachdem sie einander grüßend zugenickt hatten, hüllte T4b seinen Mantel um den schimmernden Panzer und sich selbst in Schweigen. !Xabbu hockte sich neben Renie und blickte auf die flackernden Flammen, vielleicht in Gedanken an andere Feuer an vertrauteren Orten. Zum erstenmal konnte Renie die übrigen Krieger betrachten, die Truppen, die den Trojanern zur Hilfe gekommen waren. Während die Männer stumm ins Feuer starrten oder leise miteinander flüsterten, bemerkte Renie etwas, das ihr vorher entgangen war, das aber jetzt in den niedergeschlagenen Augen und geduckten Haltungen nur allzu offensichtlich war. Ungeachtet der kühnen Reden ihrer Anführer wie Hektor und Sarpedon hatten diese zum Kriegspielen eingezogenen einfachen Männer eine Heidenangst vor dem, was der Morgen bringen würde.
     
     
    > »Code Delphi. Hier anfangen.
    Abgesehen von Emily, die seit unserer Ankunft hier leise vor sich hinweint, ist es jetzt still in den Frauengemächern. Auch an mir zerrt das Bedürfnis zu schlafen, obgleich ein Teil von mir dagegen aufbegehrt und mir vorhält, daß jede Minute, in der ich nicht an der Lösung dieses oder jenes Rätsels arbeite, vergeudet ist. Ich nehme mir jetzt die Zeit, diese Gedanken festzuhalten, da lautlos zu flüstern nicht anstrengend ist, aber zu mehr fehlt mir die Kraft.
    Wir sind in Troja. Abermals hat sich unsere Gruppe gespalten, aber diesmal, weil es mir richtig erschien. Ich habe so sorgfältig überlegt, wie ich konnte, aber jede Entscheidung, die so weitreichende Konsequenzen hat und in solcher Hast getroffen wird, muß zwangsläufig fragwürdig sein. Als der große Hektor, der Löwe von Troja, Emily, Florimel und mich wegbrachte, fürchtete ich schon, einen schrecklichen Fehler begangen zu haben. Das Hauptgewicht meiner Entscheidung werden Renie und die anderen tragen müssen – in wenigen Stunden werden sie bei einem Angriff auf die Griechen mitmachen müssen. Ich komme mir vor wie ein ganz kleiner, ganz unbedeutender Gott, ausgestattet mit der Macht über Leben und Tod, aber ohne die Überlegenheit, die einen göttlichen Souverän normalerweise auszeichnet.
    Und dennoch, trotz all meiner Schuldgefühle, kann ich mich der Großartigkeit und Komplexität dieser Simulation nicht verschließen, kann ich Hektor, seine Frau und seine Eltern nicht ansehen, ohne an ihr bekanntes furchtbares Schicksal zu denken und an die Jahrtausende, in denen sie die Phantasie der Menschen schon beschäftigen. Ich weiß wahrscheinlich zuviel. Vielleicht ist T4b in seiner völligen Unkenntnis von allem, was sich vor seiner Geburt, und vielem, was sich seither zugetragen hat, in der besten Position von uns allen. Er kann sich einfach unmittelbar zu dem verhalten, was er vor sich sieht. Aber ich kann mein Wissen nicht

Weitere Kostenlose Bücher