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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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seinem Schwert tasten, das noch immer an dem Rüstungsständer auf der anderen Seite der Hütte lehnte.
    »Die Soldaten, die Mürmeldrohnen, oder wie sie sonst heißen …«
    »Myrmidonen«, sagte Orlando. Aufzustehen und das Schwert zu holen war zu anstrengend; er ließ die Hand fallen. »Hörst du nie der Schildkröte zu?«
    »Zu viele Namen. Ich komm da nicht mit. Jedesmal, wenn das Vieh den Mund aufmacht, sagt es: ›Und das ist Bonkulos, Sohn des Gronkulos, der Held der Hornochsianer …‹«
    Orlando grinste. »Myrmidonen. Das sind unsere Leute, Frederico. Du merkst dir besser den Namen – vielleicht müssen sie dir demnächst mal das Leben retten.«
    »Sie wollen gegen die Trojaner kämpfen. Jedesmal, wenn ich rausgehe, fragen sie mich, ob du jetzt bald deinen strahlenden Panzer anlegst und uns gegen die Trojaner führst. Es ist nicht bloß König Agamickelmack – alle hier wollen unbedingt, daß du kämpfst.«
    Orlando zuckte mit den Achseln und kuschelte sich tiefer ins Bett. »Ich kann kaum sitzen. Ich denk nicht dran, uns beide abmurksen zu lassen, bloß um einem Haufen virtueller Lanzenlackel zu imponieren.«
    Die Stimmen draußen waren immer noch laut, aber sie klangen etwas weniger gereizt. Fredericks lauschte einen Moment, dann wandte er sich wieder Orlando zu. »Aber ich glaube, sie fragen sich, wieso wir beide die ganze Zeit hier drin zusammenglucken. Sie denken wahrscheinlich, daß wir Schwuchteln sind oder so.«
    Da es so überraschend kam, brauchte das Lachen etwas, bis es von Orlandos Bauch bis zum Mund emporgeblubbert war, doch als es endlich aus ihm herausprustete, war es so laut, daß Fredericks erschrocken vom Fußboden aufsprang. »Was? Was ist denn daran so komisch?«
    Mit Tränen in den Augen winkte Orlando schwach ab. Wenn Fredericks es nicht witzig fand, daß ein Mädchen in einem Männerkörper sich Sorgen machte, ob ein Haufen imaginärer Leute sie beide für schwul hielt, konnte er ihr auch nicht helfen.
    Es klopfte an der Tür. Fredericks schaute sich hilflos um und wußte nicht so recht, ob Orlandos Anfall, der inzwischen zu einem hicksenden Gekicher abgeklungen war, Anzeichen eines ernsteren Problems war oder nicht.
    Orlando faßte sich wieder. »He-herein.«
    Die Tür schwang auf, und einer der bärtigen Myrmidonen stand ihnen mit verlegenem Gesicht gegenüber. »Es ist der König von Ithaka, Herr«, sagte er zu Orlando. »Wir haben versucht, ihn wegzuschicken, aber er besteht darauf, dich zu sprechen.«
    »Wer?« fragte Fredericks.
    »Odysseus«, meldete sich eine Stimme hinter dem Wächter. »Tut mir leid, euch zu stören, aber ich glaube, es ist wichtig, daß wir uns nochmal unterhalten.«
    Orlando schnaufte leise, aber sagte: »Laß ihn eintreten.«
    Odysseus nickte erst Fredericks, dann Orlando grüßend zu, bevor er sich einen Hocker nahm und sich setzte. In seiner Ermattung und Verzagtheit hatte Orlando dem Mann bei seinem ersten Besuch keine große Beachtung geschenkt. Jetzt sah er ihn sich genauer an. In seinem Benehmen lag eine Wachsamkeit, eine listige Zurückhaltung, die darauf hindeutete, daß von ihm mehr zu erwarten war als dichterische Ergüsse über die Erhabenheit des männermordenden Kampfes, wie Orlando sie von den anderen Griechen zu hören bekommen hatte.
    »Was gibt’s?« fragte Orlando.
    »Ich hatte das Gefühl, daß verschiedene Dinge nicht zur Sprache gekommen sind, als ich vorhin mit Ajax und Phoinix hier war«, antwortete der König von Ithaka. »Ich dachte, wir könnten uns vielleicht ohne diese beiden unterhalten und schauen, ob mehr dabei herauskommt.«
    »Schildkröte«, subvokalisierte Orlando. Nach noch nicht einem Tag hatte er sich schon an die Dienste des Agenten gewöhnt, obwohl seine begrenzte Brauchbarkeit zur Folge hatte, daß er Beezle noch mehr vermißte. »Erzähl mir, was ich über diesen Odysseus wissen muß.« Laut sagte er: »Ich glaube nicht, daß es viel zu bereden gibt. Ich kann nicht kämpfen. Ich bin krank. Mir geht’s nicht gut.« Er hätte gern noch eine passende Bemerkung über die Götter gemacht, aber hatte nicht die Geistesgegenwart, etwas aus dem Ärmel zu schütteln.
    »Odysseus, Sohn des Laërtes, König von Ithaka«, flüsterte die Schildkröte. »Er ist der klügste von allen Griechen, berühmt für seine Listen. Obwohl er ein gewaltiger Krieger ist, vielleicht der beste Bogenschütze unter den Angreifern, wollte er nicht nach Troja ziehen und stellte sich wahnsinnig …«
    Der Mann, dessen Lebenslauf Orlando

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