Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
auf damit!« Fredericks wollte deutlich nicht über die Möglichkeit reden, daß Orlando getötet wurde. »Wir müssen was tun, Orlando. Ständig kommen hier Leute an und bitten dich, daß du gegen die Trojaner kämpfst.«
»Ich kämpf nicht, und wenn sie sich auf den Kopf stellen.« Die Anstrengung, seine Fersen zu untersuchen, hatte ihn ermüdet, aber einen sichtbaren Schwachpunkt hatte er nicht entdecken können. Mit hämmerndem Schädel stöhnte er auf und ließ sich in die Waagerechte zurückfallen. »Ich kann nicht. Es ist schlicht unmöglich. Ich hab nicht die Kraft dazu. Dieser dämliche ägyptische Tempel hat mich geliefert.«
»Wir hauen hier ab«, sagte Fredericks mit dem Mut der Verzweiflung. »Dann wirst du schon wieder.«
Orlando ersparte sich, ihr zu erklären, was sie beide wußten. »Nein, wir müssen hierbleiben, wenigstens bis wir wissen, ob Renie und die andern kommen.«
»Sie müssen kommen. Das hat die Frau im Gefrierfach gesagt.«
»Hat sie nicht. Sie hat gesagt, wir würden hier finden, was wir suchen, oder so ähnlich. Sie hat nicht versprochen, daß unsere Freunde hier auftauchen würden. Du hast doch in Mittland diesen Wahrsagekram zur Genüge kennengelernt, Frederico – es klingt immer, als wär klar, was gemeint ist, aber dann kommt es doch anders, als du denkst. Meistens tippst du daneben.«
»Ich will einfach weg. Ich will irgendwie hier raus.« Fredericks ließ den Kopf hängen, und die zusammengesunkene, niedergeschlagene Haltung bildete einen merkwürdigen Gegensatz zu dem neuen, stattlichen Patrokloskörper. »Ich will meine Mama und meinen Papa wiedersehen.«
»Ich weiß.« Orlando durfte das Schweigen nicht zu lange andauern lassen – es gab ein paar Dinge, die auch er sich nicht zu deutlich klarmachen wollte. »Hast du da draußen was entdeckt? Irgendeine Spur von Bonnie Mae oder den Kids?«
Fredericks seufzte. »Nein. Wenigstens hat niemand was von ihnen erzählt. Wenn hier ein Schwarm gelber Affen rumfliegen würde, wär das wahrscheinlich jemandem aufgefallen.«
»Es sei denn, sie hätten sich auch verändert. So wie wir.«
»Klar.« Fredericks schnitt eine Grimasse. »Also was sollen wir tun? Jeden, der uns über den Weg läuft, fragen: ›He, sag mal, warst du vorher ein Affe?‹ Alles, was wir hier machen, ist immer scheißkompliziert! Es ist schlimmer als in der wirklichen Welt.«
»Du hast nicht gesehen, ob sie dir gefolgt sind, als wir aus dem Tempel raus sind?«
»Ich hab gar nichts gesehen, Gardiner! Da waren Fledermäuse und … und Ungeheuer, und dieser Typ da, dieser Mandy, sagte bloß: ›Schnell ins Gateway!‹ Da hab ich dich reingeschoben und bin gleich mit.«
»Nandi. Er hieß Nandi.«
»Ist doch Wurscht. Jedenfalls hab ich nicht sehen können, was aus ihnen geworden ist.«
Orlando ließ der Gedanke keine Ruhe, daß die Kids der Bösen Bande womöglich in der einstürzenden ägyptischen Simwelt einem rasenden Osiris ausgeliefert waren. Sie waren schließlich noch Kinder, Mikros. »Wir hätten sie nie aus ihrer Urne rausholen sollen«, sagte er düster.
»Das war echt trans scännig.« Fredericks zog die Stirn kraus. »Ob sie die ganze Zeit einfach dort gewartet haben? Während wir in dieser Cartoonküche waren und im Insektenland und so? Einfach im Topf und Deckel drauf, als ob sie’n Pfund Erdnußbutter wären?«
»Ich weiß es nicht.« Orlando mußte unwillkürlich gähnen. Obwohl er den ganzen Tag lang gedöst hatte, war er kein bißchen wacher geworden. Es war gut und schön zu beschließen, daß er seine Energie für einen künftigen Entscheidungskampf aufsparen wollte, aber wo sollte die Energie herkommen? Im Moment war er zu schwach, um ein Kätzchen durchs Zimmer zu tragen. »Irgendwer pfuscht an diesem Netzwerk rum. Jeder erlebt Abenteuer in einer Simwelt – in Simwelten ist das ganz natürlich. Aber daß eine in ’nem Kühlschrank auftaucht, und auf einmal, zack, ist sie in ’ner andern Simulation ’ne ägyptische Göttin? Und hilft uns und sagt uns, wo wir hinsollen? Ich krieg’s nicht gebacken.« Er schüttelte müde den Kopf. »Gar nichts. Versucht wirklich jemand, mit uns zu kommunizieren …?«
Ein Wortwechsel vor der Tür lenkte ihn ab, Stimmen, die stritten oder herumrechteten. Es klang nicht allzu ernst – höchstwahrscheinlich der übliche Zank, der unter Achilles’ sich langweilenden, nervösen Kriegern beim Würfelspiel immer wieder ausbrach –, aber Orlandos Thargorreflexe ließen seine Hand kraftlos nach
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