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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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– aller Kinder – ist schließlich unser Geschäft …«
    Off-Stimme: Der Megakonzern Obolos hat in der Vergangenheit manchem Sturm trotzen müssen, um seine Spitzenposition auf dem Kinderunterhaltungssektor zu halten, aber viele Beobachter fragen sich im stillen, ob ein Sturm dieser Stärke das Schiff nicht doch zum Kentern bringen könnte …
     
     
    > Paul und Renie fanden Fredericks weinend über Orlandos Körper gebeugt.
    Der Achillessim war über den Beinen des toten Hektor zusammengebrochen, dessen zerspaltenen Schädel Paul nicht anschauen konnte. Statt dessen drehte er Orlandos Kopf zur Seite und hielt eine seiner blanken Armschienen vor den Mund des gestürzten Helden. »Er atmet noch«, meinte Paul zu Renie. »Was sollen wir tun?«
    »Tun? Wir müssen in die Stadt, die andern finden. Ich denke, wir tragen ihn.« Nur wenige hundert Meter entfernt waren die Griechen bereits durch das sperrangelweit offenstehende Skäische Tor in die Stadt eingefallen. Über dem Brüllen der Sieger hörte Paul Schreckensund Schmerzensschreie, und von den Häusern gleich hinter der Mauer stiegen schon die ersten Flammen auf.
    Erst als Renie sich hinkniete, um Orlandos Füße zu fassen, schien Fredericks zu merken, daß sie Gesellschaft bekommen hatte. Sie schlug Renie auf die Hände. »Wer bist du? Laß ihn in Ruhe!«
    »Ich bin’s, Fredericks – Renie Sulaweyo.«
    »Aber … du bist ja jetzt ein Mann …« Fredericks’ Augen wurden weit, dann warf sie sich Renie verzweifelt in die Arme. »Ach, Renie, es ist meine Schuld! Er ist hinter mir hergeritten, dabei wollte ich, daß sie ihn in Frieden lassen, weil … weil …« Als Fredericks wieder zu weinen anfing, griff sich Renie einen Zipfel des Patroklosgewandes und wischte ihr das Blut aus dem tränenverquollenen Gesicht.
    »Du hast eine Kopfwunde, aber sie ist nicht tief«, sagte Renie sanft. »Die bluten nur stark.«
    »Orlando lebt noch, aber wir müssen ihn in die Stadt schaffen.« Paul sprach mit schneidender Stimme, um Fredericks aufzurütteln. »Du mußt uns helfen, sonst ist er zu schwer zu tragen. Reiß dich zusammen. Er braucht dich.«
    Fredericks hörte auf zu weinen, dann kroch sie schniefend an Orlandos Seite zurück und strich über das schöne Gesicht. »Er stirbt.«
    »Das wissen wir«, sagte Renie.
    »Aber er hätte noch länger gelebt, wenn ich nicht so dumm gewesen wäre! Ich war … ich dachte, meine Zeit wäre gekommen. Was … was zu tun.«
    »Du hast getan, was du konntest«, erklärte Paul. »Du bist ein tapferer Mann.«
    Fredericks’ schrilles Auflachen ließ Paul und Renie zusammenzucken. »Das ist klasse! Das ist … das ist alles so scännig! Ich bin ja nicht mal ein Junge, in Wirklichkeit. Ich bin ein Mädchen.«
    Renie wirkte verdutzt, aber für Paul war es unerheblich. »Das ändert nichts an dem, was wir tun müssen«, sagte er. »Komm jetzt, ziehen wir ihm diesen verdammten Panzer aus, und dann hilfst du uns, ihn hochzuhieven.«
    Abwechselnd still vor sich hin lachend und weinend schnallte Fredericks die vergoldeten Beinschienen ab, während Paul und Renie den Oberkörper von der Brust- und der Rückenplatte befreiten. Als sie ansetzten, ihn hochzuheben, stockte Fredericks. »Er wird sein Schwert wollen«, sagte sie leise. Sie löste Orlandos Finger vom Griff und schob sich dann die Klinge in den eigenen Gürtel. Paul und Renie packten Orlando unter den Armen, Fredericks nahm die Füße. Der bewußtlose Junge stöhnte einmal auf, als sie auf das Tor zuwankten. Paul fühlte es mehr, als daß er es hörte, da die Todesschreie aus Troja jetzt sehr laut wurden.
     
    Es war schlimm, noch schlimmer, als Paul es sich vorgestellt hatte. Kinder und alte Leute wurden von lachenden Griechen ins Freie gejagt und wie Tiere abgestochen oder gleich in ihren Häusern verbrannt. Es war ihm unbegreiflich, wie die würdevollen, so auf ihre Ehre bedachten Krieger Agamemnons sich im Handumdrehen in solche Bestien verwandeln konnten.
    »Schau nicht hin«, sagte er zu Fredericks, deren Miene immer blasser und schockierter wurde und befürchten ließ, sie könnte jeden Moment kopflos die Flucht ergreifen. »Und wenn uns jemand anhält – Griechen jedenfalls –, laßt mich reden. Jeder weiß, wer ich bin.«
    Eine Gruppe der Eroberer hatte einen Kreis um einen alten Mann gebildet und warf unter höhnischen Bemerkungen den Leichnam eines kleinen Kindes über seinem Kopf hin und her, während er von einem zum anderen taumelte und sie anflehte aufzuhören. Die

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