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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Testperson …«
    Renie blickte erschrocken auf. T4b hatte sich aufgemacht, den Hang hinunter auf die ungeheure, leuchtende Gestalt zuzugehen. »Was macht er? Javier!«
    Dumpf und brüchig scholl sein Lachen zu ihnen zurück. »Ich geh Gott ’n paar Fragen stellen, bong? Hab jede Menge Fragen auf der Latte …«
    »Jemand muß ihn aufhalten«, sagte Renie beschwörend. »Wir haben keine Ahnung, was das alles darstellt, und wir wollen ganz bestimmt nicht, daß ein Teenager mit einer Lanze das Gespräch eröffnet.«
    !Xabbu und Florimel waren bereits dabei, hinter ihm herzueilen. Paul Jonas setzte an, sie zu begleiten, dann zögerte er. »Vielleicht bin ich dafür nicht der Geeignetste«, meinte er.
    »Wahrscheinlich nicht.« Renie wandte sich wieder Martine zu. »Rasch, was hast du gerade gesagt?«
    Die blinde Frau ächzte. »Entschuldige. Es fällt mir schwer zuzuhören, zu denken. Es sind so viele … Stimmen in meinem Kopf …!« Sie legte die Hände an die Schläfen. »Ich war in einer Versuchssituation. Irgend etwas – vielleicht ein neuronales Netz, eine Art künstliche Intelligenz – war auch da, aber ich dachte, es wäre ein anderes Kind. Es war seltsam, es dachte und sprach ganz seltsam. Aber es war einsam, oder es machte den Eindruck. Ich brachte ihm ein paar Spiele und Lieder bei.« Sie lächelte, doch wie unter großen Schmerzen. »Ich war auch einsam, weißt du? Das Lied, das du eben gehört hast, ist ein altes Lied aus meiner Kindheit.« Sie legte die Stirn in Falten und sang dann mit krächzender Stimme:
     
»Ein Engel hat mich angerührt,
    Ein Engel hat mich angerührt,
    Der Fluß hat mich gewaschen
    Und mich rein und hell gemacht …«
     
    »Es geht noch weiter«, sagte sie. »Es ist halt … so ein Kinderlied, das ich kannte, aber es kann unmöglich ein Zufall sein, daß ich es an diesem Ort wiederhöre.«
    »Du willst damit sagen, daß der Riese da drüben eine KI ist?« fragte Renie. »Ist das … das Betriebssystem? Für dieses ganze verrückte Otherlandnetzwerk?«
    »Der Eine, der anders ist«, murmelte Paul Jonas so versonnen, als hörte auch er ein altes, halb vergessenes Lied.
    Martine nickte, dann verzog ihr der Schmerz wieder das Gesicht, und sie preßte die Hände fester an den Schädel. »Der Eine, der anders ist. Das war es auch, was die Stimme der Verlorenen sagte.«
    Am Fuße des Hangs hatte T4b Florimel und !Xabbu abgeschüttelt und marschierte jetzt weiter auf die mächtige Figur zu. Renie sah es mit zunehmender Verzweiflung. »Er wird alles verderben, dieser Idiot. Wir werden alle hier umkommen, bloß weil er sich wie ein bockbeiniges Kind aufführt.«
    »Aber um Kinder geht’s doch bei alledem, oder?« Orlando, gestützt von Fredericks, stellte sich wacklig auf die Beine. »Stimmt’s?« Seine Augen schienen nicht richtig fixieren zu können. »Du bist hier, weil du die Kinder retten wolltest, stimmt’s?« Er zog sein Schwert aus Fredericks’ Gürtel, dann schob er sie sanft von sich und begann den Paß hinunterzustolpern, wobei er sich mit der Waffe abstützte.
    »Was hast du denn jetzt vor?« fragte Renie gereizt.
    Er hielt schwankend an, schon wieder außer Atem. »Der Eine, der anders ist. Ich kenne den Namen auch. Und das muß der Grund sein, weshalb … ich hier bin.« Er warf Fredericks, die den staubigen Hohlweg hinuntergeschliddert kam, einen finsteren Blick zu, aber seine Freundin ließ sich nicht abschrecken. »Weißt du, ich war schon mal fast hinüber, aber ich … ich bin zurückgeschickt worden. Nein, ich bin freiwillig zurückgekommen.« Orlando ließ einen Moment lang den Kopf sinken, dann hob er ihn wieder. Zum erstenmal blickte er Renie voll an. »Aber es muß einen Grund geben. Und wenn er das ist, gut. Ich weiß nicht, ob ich den Fürsten der Dunkelheit da drüben mit einem Schwert töten kann, aber ich kann’s auf jeden Fall versuchen. Wenn es nicht klappt … na ja, dann fällt euch andern vielleicht was Besseres ein.« Er drehte sich um und setzte seinen Weg bergab fort.
    »Orlando!« Fredericks rutschte hinter ihm her.
    »Das ist kein Fürst der Dunkelheit oder sowas«, schrie Renie. Ihr Grüppchen war jetzt eine weit auseinandergezogene Linie am Hang. »Das ist eine verfluchte VR-Simulation! Das ist bloß wieder so eine Simwelt!«
    Falls er sie gehört hatte, machte es jedenfalls keinen Eindruck auf ihn.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt«, sagte Paul Jonas. Auf Renies konsternierten Blick hin setzte er hinzu: »Ich will damit nicht sagen,

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