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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schaukelpferd. Unmittelbar vor seiner stemmenden Hand stürzte die schwarz glänzende Bergwand ins Nichts, wie es schien, denn ein Grund war nicht zu erkennen, sei es wegen der großen Entfernung oder wegen der Mitternachtsfarbe des Steins.
    Paul versuchte vom Rand wegzukrabbeln, aber sein weinender Angreifer registrierte die Gefahr entweder nicht, oder sie war ihm gleichgültig. Die Beine um seinen Brustkasten drückten fester, und er machte sich bereit, entweder einen Ruck nach hinten abzuwehren, der ihm den Hals brechen sollte, oder einen Stoß nach vorn, der sie beide in den Abgrund befördern würde. Statt dessen jedoch ging das Gewicht auf seinem Rücken plötzlich ein Stück weit in die Höhe, und die hartnäckig weiter pressenden Beine zogen ihn sogar mehrere Zentimeter vom Rand zurück.
    »Laß ihn los!« schrie jemand aus einiger Entfernung.
    »Du dumpfst doch!« keuchte jemand anders, und dabei wurde sein Angreifer ganz von ihm heruntergezerrt. Paul kroch ein Stück von dem furchtbaren Absturz weg, dann brach er zusammen und hatte nur noch ein Interesse: wieder Sauerstoff in die Lungen zu bekommen. Er konnte nichts mehr hören als einen einzigen dünnen, stetigen Ton, doch das war ihm völlig gleichgültig.
     
    Die erste Stimme, die er identifizieren konnte, als sein Gehör zurückkehrte, war Renies.
    »Er hat sie nicht getötet, du Idiot! Sie hat überhaupt nicht wirklich gelebt, nicht wie du denkst.«
    »Er hat sie dieser … dieser Dings da gegeben.« Die Stimme klang trotzig und unglücklich.
    »Diese Engelfrau war im Grunde Emily in anderer Gestalt.« Die Bemerkung kam von einer anderen Frau, vielleicht von der, die Florimel hieß. »Sie hat … sie sich einfach wiedergeholt.«
    Paul setzte sich auf und rieb sich den Hals. Sie hockten auf einem am Berg entlangführenden Weg, ganz dicht an einer steilen, schwarz glänzenden Felswand, aber der Abgrund und der grenzenlose Himmel waren dennoch unangenehm nahe. Paul, der um ein Haar dort hinuntergestürzt wäre, konnte nicht länger als eine Sekunde über den Rand blicken, ohne zu schaudern. Der Himmel hatte den düsteren graublauen Ton eines herannahenden Gewitters, aber schien sich wunderbar klar ins Unermeßliche zu erstrecken, und am abendlichen Firmament funkelten Sterne.
    Der junge Mann hatte zwar aufgehört zu toben, aber dennoch umringten ihn einige der anderen und tätschelten ihn begütigend und zugleich bereit, ihn zur Not sofort wieder festzuhalten. »Ich kann’s ihm nicht verdenken«, sagte Paul heiser. »Ich weiß, wie es ausgesehen hat.« Er versuchte, dem jungen Burschen in die Augen zu sehen, aber dieser erwiderte den Blick nicht. »Javier … T4b … Ich wußte nicht, was sie mit der Bemerkung meinte, sie müßte etwas zurücknehmen. Aber ich glaube, die andern haben recht – Emily war irgendwie ein Teil von ihr. Ich denke, sie mußte sich diesen Teil zurückholen, bevor sie die Kraft hatte, uns hierher durchzubringen.« Er hielt inne und blickte den kahlen schwarzen Weg hinauf und hinunter. Wegen der Steilheit der Felswand war es schwer zu sagen, ein wie großer Teil des Berges noch über ihnen war, aber daß ein beträchtlicher Teil unter ihnen lag, war deutlich. »Aber …«, fügte Paul konsterniert hinzu, »aber wohin hat sie uns gebracht?«
    »Orlando, nicht!« sagte Fredericks, als ihr Freund sich mühsam auf die Beine stellte. »Ruh dich aus. Du mußt sparsam mit deiner Kraft umgehen.« Sie stand mit ihm auf, um ihn wieder zum Hinsetzen zu bewegen, aber der Junge in dem blonden, heroischen Achilleskörper stapfte bereits unsicheren Schritts den Pfad hinauf.
    »Tja, da geht er hin.« Renies Stimme war tonlos und müde. »Wahrscheinlich sollten wir ihm folgen. !Xabbu , was meinst du? Martine?« Sie blickte zu !Xabbu hinüber, aber der hatte sich zu der neben Martine kauernden Florimel begeben. »Martine, geht’s dir nicht gut?«
    »Sie zittert am ganzen Leib«, berichtete !Xabbu .
    »Es … es ist ungefähr so wie … am Anfang hier in diesem System.« Martines Augen waren zugekniffen, und ihre Hände drückten von beiden Seiten ihr Gesicht, als wollte sie verhindern, daß ihr der Schädel platzte. »Soviel Rauschen … soviel …« Sie zog eine Grimasse.
    »Beweg dich nicht.« Florimel wollte ihr an der Halsschlagader den Puls nehmen, aber Martine schüttelte sie ab.
    »Nein. Folgt Orlando. Ich … ich komme auch gleich. Dort oben ist etwas – etwas ganz Großes. Es fühlt sich an wie … wie ein Vulkan.« Sie stemmte sich auf

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