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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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von ihm ausgehenden Schattenbilder zu achten, wankte Orlando auf die beiden zu. Reflexen folgend, die ihm die Hälfte seines jungen Lebens über zur zweiten Natur geworden waren, hatte er trotz allem sein Schwert eisern festgehalten und hackte jetzt mit letzter Kraft dem Gralsmonster in die Kniekehle. Es ließ Fredericks zu Boden plumpsen und wandte sich gegen ihn.
    »Lauf weg!« schrie Renie irgendwo hinter ihm, aber Orlando beachtete sie gar nicht. Das Falkenwesen war vor sinnloser Wut anscheinend nur von dem einen Gedanken besessen, ihn mit seinen Krallenhänden zu packen und zu zerquetschen. Orlando tauchte unter einem zuschlagenden Arm weg und versuchte, es in die ungeschützte Seite zu stechen, doch die andere große Hand fuhr ihm in die Parade und brach das Schwert entzwei. Orlando wollte noch wegspringen, aber er hatte keine Kraft mehr. Die Hand schlug abermals zu und traf ihn wie die Stoßstange eines Lasters; die Wucht war so groß, daß er gerade noch mitbekam, wie er durch die Luft flog, bevor er auf dem Boden aufprallte.
    Dunkelheit ging über ihn nieder, und diesmal hätte sie ihn beinahe verschlungen. Er konnte kaum noch etwas erkennen. Das Atmen war nicht mehr nur qualvoll, sondern so gut wie unmöglich. Selbst seine inneren Stimmen schienen von dem Schock verstummt zu sein.
    Am schlimmsten war, daß er sein Schwert verloren hatte. Er sah den Griff mit dem Stumpf der abgebrochenen Klinge nur wenige Meter entfernt liegen, wie es schien, doch die Verzerrung war immer noch so stark, daß er die Distanz schwer abschätzen, ja nicht einmal sicher sagen konnte, ob es wirklich das Schwert war und nicht eines der zahllosen Spiegelbilder. Orlando kroch unter Schmerzen darauf zu, nur mehr von dem Bewußtsein erfüllt, daß seine Aufgabe noch nicht erledigt war. Seine inneren Verbindungen waren irgendwie gestört – er fühlte es überall knirschen und scheuern –, und ein winziger, entlegener Teil von ihm wunderte sich, daß er solche Qualen empfand, obwohl es doch bloß ein imaginärer Körper war. Schwarze Wellen mit roten Rändern rollten über ihn hinweg, während er weiterkroch und dabei versuchte, die Punkte vor seinen Augen wegzublinzeln. Er hoffte nur, daß er sich nicht in der Richtung irrte.
    Als seine Hand sich eben um den Griff schloß, wurde er am Fuß geschnappt und in die Luft emporgerissen. Er hing kopfunter vor zwei mächtigen Beinen. Das Blut stürzte ihm in den Kopf, und er führte einen Stoß gegen das Bein, das ihm am nächsten war, um wenigstens die Haut des Gottes mit seinem zerbrochenen Schwert aufzukratzen, aber der Abstand war zu groß. Stimmen riefen seinen Namen, doch sie riefen auch Fredericks’ Namen, sogar T4bs Namen. Das alles hatte nichts mehr zu besagen. Die Bestie hatte ihn an der Ferse gefaßt und ließ ihn baumeln wie ein Uhrpendel.
    »Ihr Saboteure habt Mumm, das muß man euch lassen«, grollte der Falkengott. »Aber umbringen werd ich dich trotzdem, du kleiner Scheißer.«
    Fredericks drosch verzweifelt auf die Beine des Ungeheuers ein, bis ihre Hände bluteten, aber es schien sie nicht einmal zu bemerken. Orlando hing hilflos in den Klauen des Gralsherrn und wartete auf den Tod.
     
     
    > Paul schrie entsetzt auf, als das Universum zersplitterte, aber vor lauter Lärm hörte er sich selbst nicht einmal. Alles fiel auseinander, und er begriff überhaupt nichts mehr.
    Es war alles so rasch gekommen – daß Orlando direkt in das Bild mit der Gralsbruderschaft hineinmarschiert und Fredericks hinter ihm hergeeilt war. Renie hatte Martine zugeschrien, sie solle ihr das Feuerzeug geben, und war dann ebenfalls hindurchgesprungen, aber in dem Moment, wo sie verschwand, hatte sich die Szene des goldenen Saales verdüstert, und die das Tal ausfüllende riesige Gestalt hatte angefangen, zu stöhnen und sich herumzuwerfen wie in einem Albtraum, und damit den ganzen Berg zum Beben gebracht. Dann waren Renie und die anderen mitsamt den Gralsleuten blitzartig wieder sichtbar geworden, und ringsherum stürzte die Realität ein.
    Irgend etwas nahm von dem gigantischen Wesen Besitz, ein wölfisches Ungeheuer, das die Gralsleute anscheinend kannten und bei dessen bloßer Stimme Martine bereits aufkreischte und sich die Ohren zuhielt, dann erlosch diese Erscheinung wieder, und der Riese wand sich abermals in Krämpfen. Die ganze Bergszene schien in tausend reflektierende Stücke zersplittert zu sein …
    Der Gedanke durchzitterte seinen Kopf wie ein Echo: Zersplittert … stürzende

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