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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Götter, sondern hatten Standardsims erhalten – Florimel meinte, beide hätten ganz typenhaft ausgesehen, mehr wie Montagen als wie richtige Menschen. Sie war es auch, die darauf kam, daß sie zum Gral gehören mußten, und mit Hilfe von T4b und seiner unheimlichen Hand – schließlich hatten sie gesehen, was mit ihrem Kollegen Yacoubian geschehen war – bewegte sie sie zur Kooperation mit uns. Die früheren Herren des Netzwerks hatten entdeckt, daß sie keinerlei Kontrolle mehr über ihr eigenes System hatten, und ich glaube, sie waren ziemlich schockiert und desorientiert.
    Der weniger Verwirrte der beiden war Robert Wells. Es war äußerst seltsam, mit einem der mächtigsten Männer der Welt unter einem riesenhaften Blatt im Matsch zu kauern, und genauso überraschend war die Entdeckung, daß sein Begleiter kein Geringerer war als der chinesische Finanzier Jiun Bhao. Jiun konnte nicht ganz begreifen, was passiert war, und schien zu denken, daß Florimel, T4b und ich ihm dabei helfen sollten, offline zu kommen beziehungsweise, falls das nicht möglich war, in eine seiner eigenen Simulationswelten. Die Vorstellung trieben wir ihm schnell aus. Die Stunden, in denen wir zusammen waren, verbrachte er überwiegend in verstocktem, geradezu kindischem Schweigen.
    Wells war gerissener und wies rasch darauf hin, daß er Informationen zu bieten hatte, wenn wir ihm helfen würden. Er führte nicht näher aus, was für Informationen, und jetzt bedaure ich, daß wir uns nicht die Zeit nahmen, mit ihm zu verhandeln, aber ein hungriger Hundertfüßer hatte schon ein Auge auf uns geworfen, und Florimel und mir war mehr daran gelegen, unsere Position gegen Angriffe zu sichern, als herauszufinden, was Wells möglicherweise wußte.
    Ach was! Zu viele Worte, Martine. Ich erzähle das weitschweifiger, als wir es vorhin Paul und Kunohara berichtet haben. Bald darauf fand uns die Geißelspinne. In meiner Verzweiflung betätigte ich das Feuerzeug und hörte die Stimme dieses Monsters Dread, der uns sagte, er werde … wie hat er es ausgedrückt? Ein paar Freunde losschicken, die uns holen werden. Gott sei Dank sitzen wir nicht mehr dort in der Falle, wo ich den Kommunikator benutzt habe. Ich will ihm nie wieder begegnen, diesem … diesem …
    Ich bringe kaum ein Wort heraus, wenn ich daran denke, wie ich seine Gefangene war, wie munter er von so vielen gräßlichen Sachen geplaudert hat. Hör auf, Martine! Halt dich an das, was du hast, was du weißt und woran du dich erinnerst.
    Ob er mehr Angst vor Dread oder der Spinne hatte, kann ich nicht sagen, aber Robert Wells beschloß, das Weite zu suchen, und floh hinter uns in das Pflanzendickicht. Jiun wartete etwas länger, bevor er sich davonmachte, aber er wählte die falsche Richtung. Ich kann nicht behaupten, daß mich der Tod eines grausamen, selbstsüchtigen alten Mannes wie Jiun viel Schlaf kosten wird, aber ich wünschte, ich wüßte, wo Wells steckt. Es ist zweifellos brutal, so etwas zu sagen, aber mir wäre wohler, wenn ich sicher sein könnte, daß ihn das gleiche Schicksal ereilt hat wie Jiun Bhao. Selbst in den kurzen Stunden unseres Beisammenseins wurde mir klar, daß Wells beängstigend schlau ist.
    Kunohara amüsierte sich königlich darüber, daß Jiun ein solches Ende gefunden hat, aber daß Wells frei in seiner Simwelt herumläuft, scheint ihn nicht übermäßig zu stören. Es ist überhaupt schwer zu sagen, was Kunohara denkt. Paul meint, unser Gastgeber sei bereit zu reden, aber davon habe ich bis jetzt wenig mitgekriegt, und je weiter der Tag fortschreitet, um so schweigsamer und sonderbarer wird er. Trotz seines Versprechens hat er uns immer noch wenig erzählt, was wir nicht schon vorher wußten. Was ist das für ein Verbündeter? Nur wenig besser als die Feinde, die wir haben. Wo so viele unserer Freunde entweder verschollen oder tot sind, finde ich es schwer, über ihn und sein Selbstmitleid nicht in Wut zu geraten.
    Zeitweise erinnert dieser Kunohara mich an einen jungen Mann, den ich im Studium kannte, außerordentlich beliebt und sehr wagemutig – für die Bewunderung der anderen tat er alles. Aber in seiner Stimme schwang immer ein düsterer Ton. Er starb bei dem Versuch, ein zehnstöckiges Wohnhaus zu erklettern, und alle sagten, es wäre ein furchtbarer, tragischer Unfall gewesen, aber als ich davon erfuhr, dachte ich mir, daß er diesen Unfall gesucht und ihn zuletzt gefunden hatte.
    Kunohara kommt mir wie dieser junge Mann vor, besonders wenn er diese

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