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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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letztlich könnte man sogar sagen, Killer. Natürlich versuchte man, eine Grenze zu ziehen, aber dieser minimale Einschlag lag von Anfang an wie ein Schatten über dem Ganzen, glaube ich.
    Dennoch, wenn Barrett Keeners Problem physischer Natur gewesen wäre, ein Tumor etwa oder eine Störung im Serotoninhaushalt, dann wäre es sofort entdeckt worden. Bei PEREGRINE wie auch bei HARDCASE wurden die Leute routinemäßig nach solchen Sachen untersucht, und die meiste Zeit über waren wir ganz selbstverständlich an irgendwelche Analysegeräte angeschlossen. Aber zu der Zeit war richtige Schizophrenie noch in vieler Hinsicht ungeklärt, und Keener war ein paranoider Schizophrener, zu dessen Krankheitsbild es wesentlich gehörte, daß er seine immer schlimmer werdenden Wahnzustände verheimlichte. Obwohl sehr wenige Leute, die mit dem Mann arbeiteten, ehrlich sagen konnten, daß sie ihn mochten, hatte kein einziger der Psychologen und Ärzte in Sand Creek wie auch keiner seiner Kameraden bei HARDCASE den Verdacht, daß er dabei war, langsam wahnsinnig zu werden. Oder erst als es zu spät war.
    Ich sehe den Blick in deinem Gesicht, Herr Ramsey. Nein, du hast noch niemals von Keener gehört. Du wirst gleich erfahren, warum.
    Ich kann mich in dem Punkt kurz fassen, und es wäre mir auch sehr lieb. Ich habe am Tag von Keeners Amoklauf viele Freunde verloren. Es waren reichlich Sicherungen in das System eingebaut, doch obwohl die Armee und ihre Auftragnehmer die Möglichkeit von Sabotage in Erwägung gezogen hatten und auch die gefährliche Eventualität, daß eine der HARDCASE-Versuchspersonen einen Anfall haben könnte, hatte niemand damit gerechnet, daß beides zusammen passieren könnte. Keener, der völlig im Bann sich verstärkender psychotischer Wahnvorstellungen war, hatte sich wochenlang vorbereitet. Der HARDCASE-Komplex in Sand Creek war ein Waffenarsenal; die kybernetischen Kampfanzüge allein besaßen die Feuerkraft eines Powell-Panzers, und dazu kam ein riesiges Lager anderer Waffen und Wehrmaterialien, die für den Kampfeinsatz getestet wurden. Aber ein Waffen- und Sprengsatzspezialist wie Barrett Keener konnte in einem Ausmaß Schaden anrichten, das das gewaltige Vernichtungspotential der Kampfanzüge noch bei weitem überstieg. Wochenlang traf er heimliche Vorbereitungen, weil er den Entschluß gefaßt hatte, irgendeine eingebildete Beleidigung zu rächen oder eine wahnwitzige Befreiungstat zu begehen, und wie auf einer schwarzen Spirale steigerte er sich immer weiter in seinen Haß hinein.
    Ich habe das Geschehen zum großen Teil aus Geheimberichten rekonstruiert. Es war Nacht, als es losging, und die meisten auf dem Stützpunkt schliefen. Ich war zufällig noch auf – ich habe nie viel Schlaf gebraucht – und machte mich bei den Technikern, die Nachtschicht hatten, in der Konstruktionshalle nützlich. Zuerst hörten wir die Explosionen. Wir hatten kaum Zeit, uns die Frage zu stellen, was passiert war, als Keener auch schon durch die Wand des Konstruktionshangars brach wie ein Feuerteufel, so flammend hell leuchtete sein thermodispergierender Kampfanzug. Er hatte es nicht speziell auf uns abgesehen, wir befanden uns einfach auf seiner Zerstörungsbahn von einem Ende des Stützpunkts zum andern. Trotz des Überraschungseffekts der Bomben, die er bereits gezündet hatte, und des damit entfesselten Infernos war er wenigstens auf einen gewissen Widerstand gestoßen, bevor er bei uns ankam. Doch selbst ein direkter Treffer von einem Granatwerfer hatte bei Keener nicht mehr hinterlassen als ein paar Brandspuren und einen kleinen Ritz in einem der Anzuggelenke, wo ein wenig Freon austrat. Mit seinen strahlenden Wärmedispersionselementen und der austretenden Dunstwolke sah er aus wie ein zürnender Gott. Wir hatten keine Chance. Als er durch die Wand kam, eröffnete er sofort das Feuer mit einer Mini-Railgun, und die Halle fiel um uns herum buchstäblich in Stücke.
    Es war grauenhaft. Ich mag gar nicht daran denken. In der ersten Zeit danach versuchte ich mir einzureden, ich hätte irgendwie anders handeln, meine Kameraden retten können, ich marterte mich mit tausend verschiedenen Szenarien. Jetzt weiß ich, daß ich nur durch den allerglücklichsten Zufall überhaupt mit dem Leben davonkam. Ich stand ganz in der Nähe eines der im Bau befindlichen Raumschiffe und konnte deswegen gleich hineinspringen, als das erste von Keeners Brandgeschossen einschlug. Ich sah gerade noch, wie Keener durch die Trümmer der

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