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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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trocken und dünn; er hielt inne und inhalierte mit dem Lappen. »Ich hatte mir vorgenommen, nicht abzuschweifen, nicht wahr? Ich bitte um Entschuldigung. Jedenfalls wurden unsere Schiffe zur selben Zeit gebaut wie wir, parallel sozusagen, maßgeschneidert auf unsere besonderen physiologischen Bedürfnisse. Sie waren klein, hochtechnisiert, flogen die langen schwarzen Distanzen primär mit Antimaterie-Antrieb, aber konnten sich auch andere Kraftquellen zunutze machen, sogar den Sonnenwind. Jeder von uns bekam sein eigenes Stück, jedes nach einem Entdecker benannt – die Francis Drake, die Robert Edwin Peary, ich kann mich nicht mehr an alle erinnern, und schon der Gedanke macht mich traurig. Meines war die Sally Ride. Ein schöner Name für ein Raumschiff, und ein schönes Raumschiff wäre sie wirklich gewesen, meine Braut, könnte man sagen, auf unendlich langen Flitterwochen. Doch es kam anders. Wir machten nur ein paar Erdumkreisungen, Übungsflüge, als … O je, langweile ich euch?«
    Michael Sorensen war auf der Couch im Sitzen eingeschlafen, sein Kopf war auf die Schulter seiner Frau gesackt. »Er ist einfach erschöpft«, sagte sie entschuldigend, als ob er in einer nachbarschaftlichen Kartenrunde eingenickt wäre. »Er wird das alles schon kennen, oder?«
    »Höchstens ein paar Details nicht«, meinte Sellars freundlich. »Er wird meine Akte sicher mehrmals durchgearbeitet haben, nachdem ich mit ihm in Kontakt trat.«
    »Ich finde es sehr faszinierend«, versicherte sie ihm, obwohl sie selbst ziemlich müde aussah. »Ich … ich hatte keine Ahnung von alledem.«
    »Bitte fahr fort«, sagte Ramsey.
    »Tja, ihr dürftet beide ganz gut wissen, wie das ist, wenn man für die Regierung arbeitet, und das war noch in den Anfangstagen der sogenannten Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft. Die Regierung in Washington wechselte. Die UN meldeten ihre Kritik an einem Großprojekt mit so geringer internationaler Beteiligung an. Und die Finanziers im Hintergrund begannen daran herumzumosern, wieviel Geld die Sache kostete, ohne daß in absehbarer Zukunft mit Gewinnen zu rechnen war. PEREGRINE stand mehrfach kurz davor, abgeblasen zu werden.
    Später gab es Nächte, jahrelang, in denen ich aus ganzem Herzen wünschte, daß es so gekommen wäre.
    Die Lösung, zu der man gelangte, war nicht besonders überraschend, zumal große Rüstungskonzerne ihre Hand im Spiel hatten. Es wurde beschlossen, strengere Effektivitätskriterien einzuführen, ›greifbare Resultate‹ war, glaube ich, damals das Schlagwort. Es wäre in diesem fortgeschrittenen Stadium sehr schwierig gewesen, das Projekt herunterzufahren, und so packten sie es statt dessen mit einem Kampfsystem zusammen, das auf der Robotisierung von Menschen basierte, Human Robotic Combat Systems genannt. Die Kürzel dafür war HR/CS, aber die Ingenieure hatten bald HARDCASE daraus gemacht, und der Name stimmte – denn harte Fälle wurden mit Sicherheit produziert – und setzte sich durch. Dieses rein militärische Programm war wahrscheinlich einer der ersten Versuche, biomodifizierte Soldaten zu schaffen, das heißt letztlich Menschen, die man an einen extrem schlagkräftigen Kampfpanzeranzug anschließt und die dessen Systeme gewissermaßen als Verlängerungen ihres eigenen Körpers benutzen und sich damit in Situationen begeben können, die für einen normalen gepanzerten Soldaten undenkbar wären. Ich denke, ihr könnt es euch vorstellen – ein solcher Kämpfer war wie eine Figur aus einem alten Comicheft. Das Militär dachte natürlich in viel kürzeren Spannen, und so begannen die gemeinsamen Ressourcen – hauptsächlich Ingenieure, Ärzte und Supercomputerzeit – zusehends in seine Richtung zu fließen. Der Fortschritt von PEREGRINE verlangsamte sich drastisch.
    Dies alles hätte noch nicht viel zu besagen gehabt, wenn HARDCASE nicht einen grundsätzlich anderen Ansatz gehabt hätte, vor allem was die Rekrutierung betraf. Die Kriterien waren vielmehr so, wie ich sie seinerzeit bei PEREGRINE erwartet hatte, konzentriert auf Reflexe und noch ausgefallenere Sachen, Synapsenverschaltungen, chemische immunologische Sensibilisierung und so weiter. Und selbst psychologisch suchten sie nach einem anderen Personentyp. Wir waren Piloten, und primär deswegen waren wir genommen worden. Zwar hatten manche der PEREGRINE-Rekruten nie einen Kampfeinsatz geflogen, aber sie waren alle Flieger, ähnlich wie in den Anfangstagen das Astronautenkorps. HARDCASE brauchte Soldaten,

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