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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Konstruktionshalle marschierte, sonnenhell strahlend, weil sein Panzer die zusätzliche Hitze verarbeiten mußte, dann schoß er die nächsten Thermogranaten ab, und alles um mich herum versank.«
    Sellars drückte langsam einen Knöchel in einen trockenen Augenwinkel. Ramsey fragte sich, ob das nur eine alte, ohnmächtig wiederholte Geste war oder ob der Mann Tränen fühlte, die er nicht vergießen konnte. Er wußte nicht, was er schlimmer finden sollte.
    »Zwei Techniker im Schiff und ich waren die einzigen in der Halle, die den Angriff überlebten, und die beiden andern starben binnen eines Monats an ihren schweren Verbrennungen. Verbrannt waren wir alle, regelrecht gegrillt wie Steaks, aber ich hatte geschützte Organe und modifizierte Haut – die Techniker nicht. Ich hatte das Glück – oder das Unglück –, am Leben zu bleiben. Halbwegs.
    Nachdem er eine Spur der Vernichtung durch den ganzen Stützpunkt gezogen hatte, gelang Keener auch noch der Ausbruch aus Sand Creek. Immerhin landete einer der Wachposten einen Zufallstreffer mit dem Maschinengewehr, der seine eingebauten Düsentriebwerke fluguntauglich machte, und so mußte er sich zu Fuß auf den Weg machen. Er marschierte auf die nächste Ortschaft zu, Buffalo hieß sie, glaube ich, und Gott weiß, was er dort angerichtet hätte, doch Jets vom nächsten Luftwaffenstützpunkt fingen ihn ungefähr eine Meile hinter Sand Creek in der offenen Prärie ab. Ein Flugzeug mußte dran glauben, aber schließlich wurde Barrett Keener durch Luft-Boden-Raketen getötet. Das heißt, er bekam zwar keinen direkten Treffer ab, aber die Explosionen überstiegen zuletzt die Dispersionskapazität seines Kampfanzugs, und es gab so etwas wie eine kleine thermonukleare Reaktion. Es dauerte Jahre, habe ich gehört, bis auf dem Fleck wieder etwas wuchs. Der Boden war praktisch zu Glas geschmolzen.
    Tja … ein Verrückter beging also einen außerordentlich teuren Selbstmord, und wir andern durften hinterher damit fertig werden. Ich war das einzige überlebende PEREGRINE-Mitglied. Bei seinen HARDCASE-Kameraden war Keener noch gründlicher vorgegangen, denn er hatte Sprengladungen in den Unterkünften angebracht, und alle starben in ihren Betten, als das Gebäude hochging. Die komplette Militärbasis Sand Creek lag in Trümmern – einhundertsechsundachtzig Tote, dreimal so viele Verwundete. Die Raumschiffe waren zerstört, Milliarden Dollar für Arbeit und Forschung zunichte, und Militär und Rüstungskonzerne schrieben die Verluste ab und beendeten das Programm. HARDCASE wurde ebenfalls begraben – wenigstens war das die offizielle Version. Freilich, Keener hatte mit nur einem einzigen Kampfanzug ein höchst imposantes Vernichtungswerk anrichten können, und die nicht ganz so spektakulären Kampfanzüge der heutigen Soldaten sehen der HARDCASE-Ausrüstung von damals sehr ähnlich. Es könnte also sein, daß sie schlicht den Namen des Programms änderten und anderswo wieder von vorn anfingen.«
    »Wie … wie furchtbar«, hauchte Kaylene Sorensen.
    »Ich habe nie was darüber gesehen«, sagte Ramsey. Er gab sich Mühe, nicht allzu zweifelnd zu klingen, und sei es nur aus Respekt vor dem offensichtlichen Schmerz in Sellars’ verwüstetem Gesicht. »Nicht das geringste.«
    »Es wurde sehr, sehr tief begraben. Natürlich war die Existenz von Sand Creek bekannt, aber nicht, woran dort gearbeitet worden war oder was für ein Unglück sich wirklich ereignet hatte. Offiziell hieß es, der Stützpunkt sei wegen eines großen Brandes geschlossen worden, und durch die Verstrahlung des Geländes sei man gezwungen gewesen, ihn abzuriegeln. Einige der Toten wie zum Beispiel die PEREGRINE-Freiwilligen, deren Stationierung geheim gewesen war, wurden an andere Orte verfrachtet und ihr Tod dort gemeldet. Es war eine kolossale Katastrophe, ganz zu schweigen davon, daß es zahllose Milliarden an Prozeßkosten bedeutet hätte, wenn die Wahrheit herausgekommen wäre. Sie wurde vertuscht. Ganz war das natürlich nicht möglich, und deshalb sind die Gerüchte darüber, was sich dort zugetragen haben mag, bis heute nicht völlig verstummt.«
    »Und du wurdest auch vertuscht?«
    »So gut es ging. Ich hatte keine Verwandten. Die ersten zwölf Stunden ungefähr dachten sie sogar, ich wäre tot, weil… weil die Zerstörung der Konstruktionshalle so vollkommen war. Als ich dann doch überlebte, war es die einfachere Lösung, mich den Verlusten hinzuzuzählen.«
    »Sie haben dich gefangengenommen!«

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