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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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verbunden –, sondern auch sich auf in Frage kommenden Planeten freier zu bewegen als die Astronauten von anno dazumal. Es gab mehrere Planeten, die man im Auge hatte, aber ich kann mich nur noch an 70 Virginis erinnern. Viele der aufgefangenen Signale haben sich seitdem als Täuschung erwiesen, und die Menschheit scheint das Interesse an der Weltraumforschung verloren zu haben – bedauerlicherweise, wie ich finde –, doch zu der Zeit war es eine aufregende Sache. Auf jeden Fall hatten wir schon damals Instrumente, die Planeten viel genauer untersuchen konnten, als ein Mensch dazu in der Lage war, allerdings waren die Verantwortlichen für das Programm der Meinung, sie könnten ein viel höheres Maß an finanzieller und öffentlicher Unterstützung erhalten, wenn sie einen richtigen Menschen auf die Fahrt schickten, einen, der sein Leben für die ganze Menschheit aufs Spiel setzte. Ihr könnt euch sicher die Reden vorstellen, die damals gehalten wurden.
    Gut, PEREGRINE. Wir kamen nach Sand Creek, einer geheimen Militärbasis in South Dakota …«
    »Den Namen habe ich schon mal gehört«, sagte Ramsey sinnierend. »Sand Creek …«
    »Oh, bestimmt. Es ist im Lauf der Jahre viel darüber geredet worden. Aber was du auch gehört hast, es ist mit ziemlicher Sicherheit nicht wahr.« Sellars schloß die Augen. »Wo war ich stehengeblieben? Ah, ja. Wir wurden einer sehr komplizierten Behandlung unterzogen, die uns zu allen möglichen Extremen befähigen sollte – vor allen Dingen aber sollten unsere Gehirne fest mit den Computersystemen des Raumschiffs verschaltet werden. Dieses Wort ›Computer‹ hört man heute kaum mehr, was? Heute sind sie ein selbstverständlicher Bestandteil von allem. Anfangs waren sie Kästen mit Tastaturen, stellt euch vor.« Er schüttelte den Kopf, so daß es aussah, als wackelte eine dürre Sonnenblume auf ihrem Stengel. »Die Technologie war damals nicht besonders subtil – das liegt immerhin schon ein halbes Jahrhundert zurück. Im wesentlichen waren es operative Maßnahmen, denen ich unterzogen wurde: Ich wurde richtig aufgeschnitten, mikroelektronische Leiterbahnen wurden direkt auf mein Skelett aufgetragen, ich bekam verschiedene Bauelemente eingesetzt und dergleichen mehr. Heute hält man es für selbstverständlich, daß man sich mit einer Neurokanüle in das Netz einklinken kann, aber damals war der Gedanke, daß ein Mensch sich Computerdaten direkt ins Gehirn einspeist, für die meisten noch Science-fiction. Nur in Sand Creek nicht, wo sie genau das taten.
    Das heißt, sie … bauten mich gewissermaßen neu zusammen, stärkten mein Knochengerüst und machten meine Haut und verschiedene Organe widerstandsfähig gegen Verletzungen und Strahlungen, implantierten winzige chemische Pumpen, die synthetisiertes Kalzium und andere wichtige Zusätze in meinen Körper abgaben, wenn ich lange Zeit im schwerelosen Zustand zubringen mußte… alles mögliche. Aber noch totaler war die Art, wie sie mich beschalteten, von Kopf bis Fuß, wie einen Weihnachtsbaum! Sie benutzten die neuesten Legierungen und Polymere – auch wenn bei den ganzen Entwicklungen in der Molekularelektronik seitdem die ursprünglichen Sachen, die sie mir einsetzten, heute geradezu als antik gelten würden. Aber zu der Zeit waren wir PEREGRINE-Freiwilligen regelrechte Kunstwerke. Damals lernte ich Yeats lieben – die Verse über die Automatenvögel des Kaisers in ›Meerfahrt nach Byzanz‹ sind mir unvergeßlich geblieben:
     
…Mein Leib, bin von Natürlichem ich frei,
    Sei nicht mehr aus Naturstoff generiert,
    Nein, als ein Werk griechischer Künstler sei
    Er goldgeschmiedet und goldemailliert…«
     
    Einen Moment lang blickte er in Gedanken versunken vor sich hin. »Ich kann euch nicht sagen, was es für ein Gefühl war, als ich zum erstenmal einfach die Augen zumachte und online war. Das Netz war damals in den Anfangstagen virtueller Interfaces winzig und primitiv, aber dennoch …! Dennoch …! Auch ohne die Erde zu verlassen, waren wir bereits Pioniere der Forschung, die dort flogen, wo andere nur gekrochen waren. Wir PEREGRINE-Freiwilligen sprachen bald untereinander über das Netz, als ob es ein Ort wäre, ein Universum, das andere nur besuchen konnten wie Touristen, die durch einen Zaun gaffen, aber das in Wahrheit uns gehörte. Wenn man durch Daten schwimmen kann wie durch ein physisches Medium, wenn der Zugriff unmittelbar ist, dann fängt man an, Dinge zu sehen, Dinge zu lernen …« Seine Stimme wurde

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