Outback
Shane.
„Der redet nix!“, sagte der Pfleger.
„Lassen Sie mich mit ihm allen!“ Shane rückte den einzigen Stuhl im Zimmer hinter dem Kunststofftisch hervor und setzte sich vors Bett.
„Mister Hammet, ich bin Detective O’Connor.“
James Hammet drehte langsam den Kopf. Shane sah in ein graues, zerfurchtes Gesicht. Er war offenbar vor Tagen zum letzten Mal rasiert worden.
„Mister Hammet, h eißt Ihr Sohn Peter?“
Der alte Mann röchelte. Sein Atem stank. Seine pergamentenen Lider schlossen sich, und Shane fürchtete, er würde einfach einschlafen. Doch Hammet öffnete die Augen wieder und nickte kaum merklich mit den Kopf.
„Wissen Sie, wo er jetzt ist?“
Der Alte zeigte keine Reaktion. Ein süßsäuerlicher Geruch umgab ihn. Auf einmal bewegte er doch die weißlichen Lippen und begann mit dünner Stimme zu sprechen:
„Möge Gott über die Wahrheit richten.“
„Mister Hammet, Sie erinnern sich doch noch an den zweiten März neunzehnhundertvierundsiebzig. Hat Ihr Sohn Peter jetzt diese Waffe?“
Die Augen des Alten wurden matt und ziellos, und er sagte mit heiserer Stimme:
„Gottes Gesetz ist hart und grausam.“
Hammet ließ seine Augenlider fallen und hob sie langsam wieder. Sein Atem rasselte unentwegt.
„Gott allein weiß die Wahrheit.“
„Was weiß er?“
„Die Wahrheit.“ Sein Mund verzog sich. „Ich habe gebüßt.“ Dann drehte er den Kopf weg und schloss die Augen. Sein Atem wurde tiefer. Er begann röchelnd zu schnarchen.
Shane fluchte. Sie mussten so schnell wie möglich nach Coocooloora. Jo Hill war in Gefahr. Webster fragte, als sie die Treppen hinunterrannten:
„Peter Hill ist also der Sohn von Jim Hammet, der seine Frau erschossen hat – aber Sie meinen doch nicht, dass Peter Hill den Journalisten und Betty und diese Krankenschwester umgebr ...“
„Genau das, Webster, meine ich.“
Sie rissen die Wagentüren auf und Webster gab Gas.
Per Funk leitete Shane eine Fahndung nach Peter Hill und nach Sue Zuckers weißem Kombi ein. Philipp Russell, der zunächst keine Hinweise in Sue Zuckers Wohnung gefunden hatte, übernahm die Kontrolle der Straßen um Charleville, die Kollegen in Longreach die der anschließenden Streckenabschnitte.
„Und beobachten Sie unauffällig Hills Haus. Vielleicht kehrt er ja dahin zurück“, ordnete Shane an.
„Jo Hill wird noch beim Rodeo sein. Da fängt jetzt gleich das Bullenreiten an!“, bemerkte Webster. Sein Gesicht glühte.
„Wir fahren zum Rodeo!“ Shane erinnerte sich an Steve Himmelreichs Profil des Serienkillers. Die Morde fanden jeweils dort statt, wo ein Rodeo war. „Lassen Sie uns noch schnell bei Dr. Kilian halt machen. Und rufen Sie Paddy an, er soll ein Auge auf Jo haben.“
Als Shane in das Zimmer des Arztes stürzte, sah der ihn nur müde an. „Welche Blutgruppe hat Peter Hill?“
Wortlos sah Dr. Kilian in die Akte. „B, Rhesus negativ.“
Genau wie die zweite Sorte Blutspritzer auf der Regenjacke. Dr. Kilian lächelte zynisch.
„Sie glauben, dass er es ist – der Frauenkiller? Nicht wahr? Ach, wie kann man dieses Leben ertragen, ohne zu trinken? Lüge, Verrat, Täuschung!“
Shane war schon wieder auf dem Sprung, doch der Arzt schien das nicht zu bemerken.
„Wissen Sie, Detective: Hill kam viel in der Gegend rum, weil er verrückt nach Rodeos war und überall seine Hot Dogs verkaufte. In Tambo, in Roma, Barcaldine ... Ich hab mich mit ihm sogar noch über Frauen unterhalten!“ Er lachte auf. „Dass man Frauen nicht trauen kann, dass sie einen sitzen lassen, wenn es ihnen nicht mehr passt!“ Dr. Kilian stürzte das nächste Glas herunter und sagte ernst:
„Detective, ich erzähle Ihnen jetzt etwas über Peter Hill, und es ist mir bewusst, dass ich damit die ärztliche Schweigepflicht verletze.“
Shane setzte sich wieder.
„Aber wozu braucht man bei dieser Menschheit noch ethische Ansprüche? Sie ekeln mich, sie widern mich an, die Menschen.“
„Sie wollten doch etwas über Peter Hill sagen“, erinnerte Shane ungeduldig.
„Ja doch! Wissen Sie, warum er seiner Frau nicht erzählte, dass er lediglich ein psychisches Problem hat – aufgrund dessen er nicht laufen kann?“ Der Arzt fixierte Shane mit glasigen Augen. „Er sagte zu mir, dass er Sie prüfen wolle. Er erzählte mir, dass sie eine Affäre mit einem Journalisten gehabt und sich mit ihm in Motels getroffen habe. Das war noch, als Peter gesund war. Dann war der Journalist plötzlich weg, verschwunden – und Peter Hill hatte
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