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Outback

Outback

Titel: Outback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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aus seinem Winterschlaf erwachte und wo die Kängurus Wasser tranken. Er hörte an den Vogelstimmen und roch an den Dürften der Bäume, welcher Tag im Jahr war. Und er spürte den harten und doch gepolsterten Rücken einer Ahnin an seinem Bauch, die sich bückte und eine Wurzel ausriss. Er schmeckte die Süße der Honigameise und das weiche Innere der gebratenen Raupe. Der Rauch des Feuers am Abend brannte in seiner Nase und vor seinen Augen tanzten die Funken. Und er blickte in die großen schwarzen Augen seiner Tanten, die ihre mächtigen, weichen Körper wiegten. Die Sonne brannte auf die Baumwurzeln in der flachen Grube im Sand, vor der sein Onkel saß. Er hielt ein leicht gekrümmtes Stück Holz an eine Wurzel, verglich die Krümmung und schlug dann Teile des Holzes ab bis der Winkel der gleich war wie der Wurzel. Er schnitzte das Holz an einer Seite flacher als an der anderen bis er zufrieden war. Dann stand er auf und schleuderte es in den Himmel. Surrend kehrte es zurück.
    Die Männer kamen wieder – jedoch ohne ein schlaffes Känguru auf ihren Schultern, ohne in sein weiches Fell gepackte Opposum, ohne den Federberg des Emus. Und wieder aßen sie das, was die Tanten und seine Mutter den Tag über gesammelt hatten. Jeder bekam etwas, auch wenn sie nicht viel hatten. Er dachte an den Abend, als er das erste M al bemerkt hatte, dass sein Onkel, der das große Känguru erlegt hatte, die kleinste Portion Fleisch bekam. Doch der lachte, umarmte seine Frau und seine kleine Tochter. Den Tag wieder überlebt zu haben und am Abend mit der Familie und den Freunden etwas zu essen zu haben, war das größte Glück. Wer konnte schon in einer Wüste überleben, außer Lizards und Mulga?
    Langsam löste er seine Hand von der Höhlenwand – und er war wieder allein. Da legte er sie noch einmal an den Felsen neben die kleine Hand, hielt den flachen Stein mit dem Häufchen Ocker nahe an seinen Mund und blies den gelben Puder auf die Felsen. Er nahm seine Hand weg und blickte auf deren Abdruck. Seine Hand. Er war übrig geblieben.

    Vor seine Augen schob sich das Bild von seiner Schwester, wie sie im blutigen Wasser lag. Er zog in Gedanken Linien – Linien von ihr zu dem Schädel da vor ihm im Sand. Doch dann wurden die Linien blasser und er konnte nicht erkennen, wohin sie führten. Der Inquest – das große Verhör – hatte begonnen.
    Plötzlich quoll durch den Bogen des Höhleneingangs das rote Feuer der Sonne. Und Moodroo erinnerte sich, dass er vergessen hatte, seine Adern aufzuschlitzen.

Shane

    Das Einzige, was er in der Pension herausfand, war, dass Copelands Sachen der Wohlfahrt gespendet worden waren, und dass er seit dem achten Mai die wöchentlich fällige Miete nicht mehr gezahlt hatte. Doch niemand hatte ihn als vermisst gemeldet.
    Er war froh, als er nach Hause kam. Das Apartment ganz oben im Hochhaus direkt am Fluss, ein paar Fotos und das halbe Kaffeeservice waren das Einzige, was ihm aus seiner Ehe mit Kim geblieben war. Und eine Tochter, die er in drei Jahren sechsmal gesehen hatte. Das Apartment roch ungelüftet. Seine Nachbarin Heather, die ihre Einsamkeit seit Jahrzehnten jede Nacht im Alkohol ertränkte, hatte den Fernseher mal wieder auf volle Lautstärke gedreht , und Kochdunst stieg in den Entlüftungsschacht und strömte in Shanes Apartment wieder aus. „Kann man nicht ändern“, behauptete der Hausmeister. Manchmal überlegte Shane, wie es wäre, wenn statt des Essensgeruchs plötzlich süßlicher Verwesungsgestank hereinkäme.
    Er öffnete die Schiebetür der Veranda, und der Lärm der Autos und Trucks platzte herein. Sie sollten einen Tunnel bauen, dachte Shane jedes Mal und stellte sich ans Geländer. Er stoppte seinen Gedanken überließ sich der Stimmung da draußen. Sonnenuntergang, orangene Fäden ins Weiß der Wolken gewoben. Jogger überholten Autos. Die blaue City Cat, das Wassertaxi, preschte heran, zerschnitt den glatten Wasserteppich, verlangsamte die Fahrt am alten Fabrikgelände, auf dem man bald Luxuslofts bauen würde, drehte bei, legte an Bretts Wharf an und flog mit den nächsten Passagieren zurück in die City. Segeljachten schaukelten wie Konstruktionen aus Streichhölzern.
    Jetzt sehnte er sich nach einem Drink. In der Küche mixte er sich einen Gin-Tonic und hörte die Mailbox ab.
    „Hi, hier Pat . Wo bist du? Hätte am Wochenende Zeit. Also ruf mich an.“ Sie war blond und hatte einen üppigen Körper, und die Nacht mit ihr war eher durchschnittlich gewesen.

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