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Outback

Outback

Titel: Outback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Mann.
    „Das ist Betty. Sie hat keine M u m und keinen Dad mehr“, hat die Frau zwei anderen Kindern erklärt. Die waren weiß. Und der Mann ging aus der Tür und warf sie ins Schloss. Die Frau behauptete, dass sie jetzt die neue M u m sei. Die anderen Kinder glotzen Betty an und berührten ihre Haare. In den Häusern und Läden, auf den Straßen und Plätzen – überall gab es nur Weiße. Und in der Schule starrten die Kinder Betty an und fragten, warum sie anders aussähe als ihre Geschwister.
    „Weil sie eine andere M u m und einen anderen Dad hatte“, antwortete dann die Lehrerin an Bettys Stelle.
    „Wo sind deine richtigen Eltern?“, wollten die Kinder wissen, und die Lehrerin erzählte, sie seien gestorben und Betty habe jetzt neue Eltern.
    „ Woran ist meine Mutter gestorben? “ , fragt sie ihre neue M u m. Doch da wurde die Frau böse und antwortete, sie wolle nicht, dass jemand in ihrem Haus von Bettys alter M u m spreche. Und der neue Dad gab ihr eine Ohrfeige. Die anderen Kinder lachten sie aus. Sie legten Betty, wenn ihre Eltern nicht hinschauten, abgenagte Hühnerknochen auf den Teller, und die Eltern sagten dann, sie sei ein verfressenes Stück. Oder die Kinder gaben ihr einen Extralöffel Porridge, weil Betty Porridge nicht mochte, aber erst aufstehen durfte, wenn sie alles aufgegessen hatte. „Verwöhntes Gör !“, schimpften die Eltern dann. Sie lachten oft über sie, und Betty wollte weinen, aber sie konnte nicht mehr weinen, weil sie ihre Tränen schon in den ersten Wochen aufgebraucht hatte.

    In der Schule war Betty schlecht. Sie konnte nicht so reden wie die anderen Kinder, und wenn sie etwas nicht genau wusste, sagte sie auch nichts. Das legten ihr die Lehrer als Faulheit aus. Und als Dummheit. Wenn sie mit schlechten Noten zurück in das kleine Haus kam, gab der Mann ihr eine Ohrfeige und warf seiner Frau böse Blicke zu.
    Irgendwann hörte Betty wie er seine Frau anschrie und ihr vorwarf, eine Idiotin ins Haus geholt zu haben. Die würde seine eigenen Kinder verderben! Die anderen Kinder bekamen neue Kleider. Betty bekam deren alte, auch wenn sie ihr manchmal zu kurz waren. „ Die haben eben gute Noten“, sagte die Frau, „und dafür werden sie belohnt.“
    Doch Betty konnte nicht erklären, warum sie schlechte Noten bekam. Sie konnte nicht erzählen, dass die anderen Schüler sie in der Pause traten, sie an den Haaren zogen und auslachten, ihre Bücher zerrissen und ihre Hefte mit den Hausaufgaben versteckten. Sie konnte nicht erzählen, dass die anderen Kinder sie nicht mitspielen ließen. Sie konnte nicht erzählen, dass sie am liebsten ins Meer gesprungen und niemals wieder an Land geschwommen wäre. Wenn es das Meer überhaupt gab.

    Es kam der Tag, da erklärten ihr ihre neue M u m und ihr neuer Dad, dass sie genug von ihr hätten und dass sie in ein Heim müsse. Da würde man ihr schon das Lernen beibringen. Sie sagten, dass sie enttäuscht von ihr seien, weil sie so wenig Dankbarkeit zeigt, dabei hätten sie sie doch gerettet. Betty verstand nicht, was sie damit meinte .
    Sie kam wieder ins Heim. Sie sprach nicht und lachte nicht und las nicht die Bibelstellen, als sie damit an der Reihe war. Eines Tages, als sie wieder ihre Lippen zusammenpresste, anstatt den Bibeltext vorzulesen, packten sie drei Nonnen , legten sie auf einen Tisch, hielten mit einer Zange ein Stück Eisen ins Ofenfeuer, bis es orange glühte, und drückten es aufs Betty Unterarm . Es war ein D, und sie sagten, es bedeute Devil. Sie sei verdammt. Da war sie neun.
    Als sie schon glaubte, ihr Leben ginge immer so weiter, kamen wieder ein Mann und eine Frau und nahmen sie mit in ihr Haus. Sie schrie nicht mehr, sondern blieb stumm, weil der Schmerz ihr zur Gewohnheit gewor den war. Doch der Mann und die F rau waren anders. Alles war anders. Es gab auch keine weiteren Kinder. Der Mann und die Frau schrien sie nicht an und schlugen sie nicht. Sie bekam genug zu essen, wurde nicht gezwungen zu sprechen und der Mann und die Frau saßen abends an ihrem Bett und lasen ihr Geschichten vor. Und wenn sie nachts plötzlich doch schrie, weil sie einen schlimmen Traum hatte, kamen die beiden und setzten sich an ihr Bett, bis sie wieder einschlief .

    Sie wurden ihr Dad und ihre Mu m. Er baute Häuser in Brisbane, moderne, hohe, in der Stadt und am Fluss, und Betty durfte zusehen, wenn er sie zeichnete. Sie bekam Papier und Farben und begann zu malen. Ihre Mum war Lehrerin und Betty ging zuerst in ihre Klasse. Und

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