Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Outback

Outback

Titel: Outback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
„Shane, wieder mal nicht da, hier ist dein alter Dad. War zufällig in der Stadt, dachte ich komm mal vorbei, aber... Fahr am Samstag wieder zurück.“ „Sie haben keine weiteren Nachrichten“, meldete die weibliche Stimme. Sein alter Dad lebte seit fünf Jahren in einer Hütte am Strand von Fraser Island, nur ein paar Autostunden von Brisbane entfernt, und schrieb an einem Buch über Wale. Die einzigen Gründe, die ihn nach Brisbane führen konnten, wären eine ernsthafte Erkrankung oder ein unumgängliches Treffen mit seiner Exfrau, Shanes Mutter. Shane hoffte, dass Letzteres zutraf.
    Den ersten Gin-Toni c kippte er sofort hinunter, goss sich gleich in der Küche den zweiten ein und ging wieder hinaus auf die Veranda. Ein Raddampfer, beleuchtet mit bunten Lampen, stampfte den Fluss herauf, Musikfetzen und das schmatzende Geräusch der eintauchenden Schaufeln wurden lauter und verebbten dann.
    Shane sah auf den Fluss, wie in einen Fernseher. Inzwischen war Fernsehen für ihn zum Schlafmittel geworden. Dabei hatte er bei der Scheidung um den Fernseher gekämpft. Er hatte überhaupt viel zu oft in seinem Leben um die falschen Dinge gekämpft. Doch diese Einsicht war ihm erst vor wenigen Jahren gekommen, genauer gesagt, an dem Tag vor fast zwei Jahren, als ihn sein Vater angerufen und gesagt hatte: „Deine Schwester hat sich umgebracht.“
    Sie war schon immer konsequenter gewesen als er. Als sie sich mit neun den Unterarm aufschnitt, wie sie es in den Western im Fernsehen gesehen hatte, und von ihm dasselbe verlangte, damit sie richtige Blutsbrüder würden, war er weggelaufen. Die Urne ihrer Tochter hatte ihre Mutter abgeholt. Dad , der Ex-Cop, hatte zu der Zeit im Krankenhaus gelegen. Bekam vier Bypässe und interessierte sich für gar nichts mehr. Sie wollte die Urne bei Shane loswerden. „Das s sie mir das antut! Hab ich sie dafür auf die Welt gebracht?“ Shane hatte ihr die Urne aus der Hand gerissen.
    Einen Monat später fuhr er nach Rainbow Beach, mietete sich ein Schnellboot, raste eine Viertelstunde hinaus aufs Meer, verlangsamte die Geschwindigkeit, öffnete die Urne und ließ die Asche vom Fahrtwind aufs Meer hinauswehen.
    Sein zweites Glas war leer. Entweder könnte er sich mit dem Rest Gin besaufen oder Eliza Lee anrufen. Das s sich ihre Mobilbox einschaltete , wunderte ihn nicht, er hatte es sogar erwartet. Übelgelaunt nahm er da s Manuskript von Frank Copeland und setzte sich auf die Couch.

    Geschichte Lilys
    Am Anfang ihres Lebens waren Feuer und Schmerz. Das war alles, woran sie sich erinnerte. Und dann sagten die Tanten und Onkel, dass ihre Mutter im Feuer verbrannt sei. Das war alles, was sie ihr sagten. Und als sie dachte, sie müsste auch sterben, kam die Wohlfahrt und holte sie weg von ihren Onkeln und Tanten. Die dicke Weiße hat sie mit sich in den Zug genommen . Sie, ein kleines, dünnes dunk l e s Mädchen. Die Weiße und der Polizist haben behauptet, es ginge ans Meer. Da wäre es schön. Viel schöner als da, wo sie herkam – aus den alten, stinkenden Hütten. Das dünne Mädchen hat es nicht verstanden, weil ihm die Hütten gefallen hatten. Aber es hat nicht geweint. Denn seine Mutter war schon tot.
    Doch als der Zug hielt, war da gar nicht das Meer. Sondern ein graues Haus. Es waren viele andere Kinder da, schwarze und nicht ganz so schwarze wie Lily.
    Tagelang hat sie geweint. Sie ha ben gelogen, da gab es gar kein Meer. Im Heim waren Nonnen. Weiße Frauen mit schwarzen und weißen Gewändern und knochigen Händen. Der Boden, auf dem sie mit den anderen Mädchen schlafen musste, war kalt und aus Beton. Sie bekam nur ein Bettlaken, das sie auf dem Boden ausbreiten konnte, und eine dünne Decke. Tagsüber musste sie hart arbeiten. Sie lernte, wie man kochte und putzte und nähte. Sie schrubbte den Boden, putzte Schuhe und grub die lehmige Erde um.
    Die weißen Nonnen sagten, dass sie sauber sein müsste, sauber wie Weiße und nicht schmutzig wie Schwarze. Und deshalb musste sie sich bürsten und waschen, bis ihre Haut brannte. Als Lily älter war, schickten die Nonnen sie zum Arbeiten auf eine Farm. Das Geld bekam die Mission. Die Farm war groß, und es gab viel zu tun. Sie putzte, wusch die Wäsche, nähte, tat alles, was die weiße Herrin und der weiße Herr wollten. Sie musste nicht auf dem Boden schlafen, sondern bekam einen mit Stroh gefüllten Sack. In der Nacht hatte sie Angst. Doch es gescha h nichts. Aber eines helllichten Tages.
    Die Erde ist rot und heiß.

Weitere Kostenlose Bücher