Outback
Stachelgrasbüsche sprießen hin und wieder aus dem Boden, den die Sonne seit Jahrtausenden mürbe macht, dass er einreißt wie alte Haut. Risse wie nie genähte Narben, gezackt und tief und rot. Wind streift darüber, treibt luftige Ballons aus Dornen vor sich her. Solange, bis sie hängen bleiben an toten Eukalyptusästen. Hinten durch die Eben rinnt ein Bach – und in der Hitze flimmert eine staubige Straße.
Dort, wo Bach und Straße unvermeidlich aufeinander treffen, hat man eine dürftige Holzbrücke gebaut, gleich hinter der Brücke am Straßenrand parkt ein grüner Lieferwagen, Fahrertür geöffnet, Motor brummt.
Ein Mann lehnt an der Kühlerhaube und hält sich die Ohren zu, weiter unten aus dem Gebüsch am Bach gellt ein spitzer Schrei, der sofort erstickt. Dann folgt stoßartiges Keuchen. Hinter dem dürren Eukalyptusstrauch hat ein stämmiger Mann ein Mädchen unter sich. Auf ihrem dünnen Kleidchen sind bunte Blumen gedruckt, bunt wie eine Sommerwiese.
Seine weiße Hand ist so groß wie ihr schwarzes Gesicht, quetscht ihre Kiefer zusammen, presst ihre Nase, als solle sie zerbrechen, krallt die Finger in ihre Augen und Ohren wie in eine reife Frucht. Stößt zu, rasend wie wildgewordenes Vieh, reißt plötzlich die glasigen Augen auf, und brüllt, wird steif wie ein Brett. Nur das Plätschern des Bachs und krächzende Laute der Vögel.
Er nimmt seine schlaff gewordene Hand von ihrem Gesicht, steht auf, zieht die speckige Hose wieder über seine weißen Schenkel und schnallt den Gürtel zu. Mit dem staubigen Stiefel tritt er dem Mädchen in die Seite, wie er es bei verendenden Tieren macht, um zu prüfen, ob sie noch leben. Das Mädchen krümmt sich, und er wischt mit dem Ärmel über sein verschwitztes Gesicht, schlendert zum Wagen zurück. Der Mann, der an der Kühlerhaube lehnte, ist schon eingestiegen, sieht dem anderen nicht mehr in die Augen. Der klettert hinters Steuer, schlägt die Tür zu, löst die Handbremse, legt den ersten Gang ein und gibt Gas. Der Lieferwagen wird kleiner.
Das Mädchen kriecht in den Bach über die glitschigen Stein, streckt die Hand aus und bekommt eine Scherbe des Wasserkruges zu fassen. Das Kleid mit der bunten Blumenwiese ist jetzt zerrissen. In der roten Ebene ist es wieder still.
Zurück im Heim konnte sie nicht anders und erzählte der Nonne, was passiert war, denn sie wollte nie wieder dorthin.
Da haben ihr die Nonnen den Mund mit Seife ausgewaschen und sie mit einem Lederriemen geschlagen. Sie sah wohl so übel aus, dass sie einen Arzt geholt haben.
Die Nonnen haben sie ins Krankenhaus gebracht, als es soweit war. Sie hat sich auf das Kind gefreut, hat Mitleid mit ihm gehabt und wollte es lieben und für es da sein und niemals zulassen, dass ihm dasselbe geschieht wie ihr. Sie hat das Kind bekommen, es war ein Mädchen, das hat sie noch gesehen.
Als sie es in die Arme nehmen wollte, haben sie es weggenommen, ihr eine Spritze gegeben, weil sie so geschrien hat. Später haben sie ihr erklärt, das Kind sei gestorben. Und als sie noch später im Krankenhaus nachgefragt hat, haben sie behauptet, dass sie niemals dort gewesen sei, geschweige denn ein Kind geboren habe. Aber sie wusste, dass sie logen.
Sie nannten das Mädchen Betty. Und weil sie noch klein, ihr Haar blond und ihre Haut auch sehr hell war, haben ein weißer Mann und eine weiße Frau Betty als ihr Pflegekind aufgenommen. Doch sie schrie ihnen zu viel, aß nicht, konnte nie allein sein, und ihre Haut wurde dunkler. Schließlich konnten sie Betty nicht mehr als griechisches Findelkind herausgeben. Da haben sie sich nach einem Jahr wieder ins Heim zurückgebracht.
Es kamen noch mal weiße Eltern, aber bei ihnen blieb Betty nur ein paar Wochen. Eines Tages hieß es wieder, dass sie jetzt eine neue Mum und einen neuen Dad bekäme. Da ist sie mit der fetten Frau, die schrecklich schwitzte, in ein Auto gestiegen und durch die grauen Straßen gefahren. Dort gab es nur Weiße. Nur weiße Männer mit roten Gesichtern und weiße Frauen mit kleinen Taschen. Das Auto hielt vor einem Haus. Die Frau packte ihre Hand und führte sie über den kurzen Rasen zur Haustür. Sie hat ziehen müssen, denn das schwarze Mädchen wollte nicht aussteigen. Dann aber wurde die Tür des Hauses geöffnet, und eine andere weiße Frau nahm Bettys Hand. Die Hand der Frau war nicht fleischig, sondern so wie die abg enagten Knochen eines Kängurus.
„Sie ist noch dunkler, als man uns gesagt hat!“, schimpfte ein dicker
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