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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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kennengelernt«,
meinte er.
    »Na schön«, gab ich zurück.
    »Sie hat immer nur dieses Sinatra-Zeugs gesungen – hat mich zu Tode
gelangweilt«, gab Mr.   McSwiney zu.
    »WIR KÖNNEN MIT SICHERHEIT DAVON AUSGEHEN, DASS ES [499]  JEMANDEN GAB, DER IHR GERN ZUGEHÖRT HAT« , meinte
Owen Meany.
    Toronto, 30.   Mai 1987. Eigentlich müßte mir ja klar sein, daß
ich in der New York Times nicht einmal mehr eine
Schlagzeile lesen sollte; dennoch ist – wie ich meinen Schülern immer wieder
erklärt habe – der Gebrauch des Semikolons in dieser Zeitung beispielhaft.
    Reagan für Entschlossenheit im Golf;
weitere Pläne unklar
    Ist das nicht ein klassisches Beispiel? Ich meine nicht das
Semikolon; worauf es mir ankommt: ist es nicht genau das, was die Welt braucht?
Unklare Entschlossenheit! Das ist typisch amerikanische Politik: unklar sein,
aber auf jeden Fall entschlossen vorgehen!
    Im November 1961 – nachdem Owen Meany und ich erfahren hatten, daß
sein Kehlkopf sich nie in Ruhestellung befand, und daß meine Mutter ein
ausgiebigeres heimliches Leben genossen (oder durchlitten) hatte, als wir
wußten – berichtete General Maxwell Taylor Präsident Kennedy, daß militärische,
wirtschaftliche und politische Unterstützung durch die USA einen Sieg der Südvietnamesen sicherstellen konnte, ohne daß die Vereinigten Staaten direkt in den Krieg eingriffen. (Die private
Empfehlung des Generals lautete, 8000 Mann US -Kampftruppen
nach Vietnam zu entsenden.)
    An Silvester des gleichen Jahres – Owen, Hester und ich feierten in
unserem Haus in der Front Street, so halbherzig, wie es für die
Partygewohnheiten der späten Teenagerjahre typisch ist (Hester war zwanzig),
und verhältnismäßig ruhig (weil Großmutter bereits zu Bett gegangen war) – betrug die Stärke des US -Militärs in Vietnam erst 3205 Mann.
    [500]  Hester hieß das neue Jahr mit
mehr Sinn für Dramatik willkommen, als Owen oder ich aufbrachten; sie begrüßte
es auf Knien – im Schnee, draußen im Rosengarten, wo Großmutter nicht hören
konnte, wie sie ihr Cola mit Rum (ein Gebräu, für das sie sich im Anfangsstadium
ihrer Romanze in Tortola begeistert hatte) wieder von sich gab. Mir bedeutete
der Jahreswechsel nicht soviel; ich schlief ein, während sich Charlton Heston
in Ben Hur abmühte – irgendwo zwischen dem
Wagenrennen und der Lepragrotte sank mir das Kinn auf die Brust. Owen sah sich
den Film ganz an; während der Werbespots wandte er sich unbeteiligt zum
Fenster, das auf den Rosengarten hinausging, wo sich im gespenstischen Glanz
des Mondlichts Hesters bleiche Gestalt gegen den Schnee abzeichnete. Es erstaunt
mich, daß der Jahreswechsel Owen so wenig beeindruckt hat – wenn man bedenkt,
daß er zu dieser Zeit glaubte, genau zu »wissen«, wie viele Jahre ihm noch
blieben. Doch er schien zufrieden zu sein, daß er Ben Hur ansehen und Hester dabei beobachten konnte, wie sie sich übergab; vielleicht
ist das das Wesen des Glaubens – diese Zufriedenheit, selbst angesichts der
Zukunft.
    An unserem nächsten gemeinsam verbrachten Silvesterabend, 1962,
waren 11   300 amerikanische Soldaten in Vietnam stationiert. Und wieder bemerkte
Großmutter am Neujahrsmorgen die gefrorenen Spritzer von Hesters Erbrochenem im
Schnee – eine Verschandelung der normalerweise makellosen Fläche um die
Vogeltränke in der Mitte des Rosengartens.
    »Grundgütiger Himmel!« stieß Großmutter hervor. »Was ist denn das
für eine Schweinerei an der Vogeltränke?«
    Und genau wie im vorangegangenen Jahr meinte Owen Meany: »HABEN SIE DIE VÖGEL NICHT GEHÖRT GESTERN ABEND, MRS. WHEELWRIGHT?
MAN SOLLTE MAL DRAUF ACHTEN, WAS ETHEL IN DIE VOGELHÄUSCHEN PACKT.«
    Owen Meany hätte ein Buch sehr geschätzt, das ich erst vor zwei
Jahren gelesen habe: den Vietnam War Almanac von Col.
    Harry [501]  G. Summers; Colonel Summers hat in
Korea und Vietnam gekämpft; er redet nicht um den heißen Brei herum. Hier der
erste Satz seines sehr lesenswerten Buches: »Eine der großen Tragödien des
Vietnamkrieges besteht darin, daß die amerikanischen Streitkräfte zwar die
Nordvietnamesen und den Vietkong in jeder größeren Schlacht besiegten, die
Vereinigten Staaten aber dennoch die größte Niederlage in ihrer Geschichte
erlitten.« Das muß man sich mal vorstellen! Auf der ersten Seite seines Buchs
schildert Colonel Summers eine Begebenheit mit Präsident Franklin D. Roosevelt
auf der Konferenz von Jalta im Jahr 1945, als die Alliierten versuchten, sich über
die

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