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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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dieses Lied vortrug, in dem sie davon träumte, nach Alberta zu
gehen, wo der Herbst so schön ist und wo Freunde auf sie warteten.
    » WO LIEGT ALBERTA?« hatte Owen Meany sie
gefragt.
    »In Kanada, du Vollidiot«, hatte sie entgegnet.
    »KEIN GRUND, GLEICH SO GROB ZU WERDEN«, hatte
Owen ihr erklärt. »EIN HÜBSCHES LIED, WIRKLICH. ES MUSS EINE TRAURIGE
SACHE SEIN, NACH KANADA ZU GEHEN.«
    Das war 1966. Er stand gerade kurz vor seiner Beförderung zum Second Lieutenant.
    »Du findest es ›traurig‹, nach Kanada zu
gehen?« brüllte Hester ihn an. »Da, wo sie dich hinschicken werden, ist es noch
viel trauriger .«
    »ICH WILL NICHT IRGENDWO STERBEN, WO ES KALT IST«, erklärte
Owen Meany.
    [639]  Was er damit meinte, war, daß er
zu wissen glaubte, er werde in einer Gegend sterben, wo es heiß war, sehr heiß.
    An Weihnachten 1964 wurden zwei Amerikaner in Saigon getötet,
als Terroristen des Vietkong das US -Quartier
bombardierten; eine Woche später, an Silvester, übergab sich Hester – vielleicht hat sie da mit besonderem Elan gekotzt, denn Owen Meany sah in der
Energie, die sie hineinlegte, ein Zeichen.
    »SIEHT AUS, ALS OB’S EIN SCHLECHTES JAHR WIRD«, bemerkte er, während wir zusahen, wie Hester sich im Rosengarten krümmte.
    Und in der Tat war es das Jahr, in dem der Krieg ernsthaft begann;
zumindest war es das Jahr, als dem durchschnittlichen, nicht übermäßig
politisch interessierten Amerikaner langsam klarwurde, daß wir in Vietnam ein
Problem hatten. Im Februar führte die US -Luftwaffe Operation Flaming Dart durch – eine sogenannte taktische
Luftvergeltungsmaßnahme.
    »Was bedeutet das?« fragte ich Owen, der mit seinem Studium der
Militärwissenschaften so gut zurechtkam.
    »DAS BEDEUTET, DASS WIR ZIELE IN NORDVIETNAM AUF
TEUFEL KOMM RAUS BOMBARDIEREN«, meinte er.
    Im März begann die US- Luftwaffe mit Operation Rolling Thunder – »um den Nachschub in den Süden
zu unterbinden«.
    »Und was bedeutet das ?« fragte ich Owen.
    »DAS BEDEUTET, DASS WIR ZIELE IN NORDVIETNAM AUF
TEUFEL KOMM RAUS BOMBARDIEREN«, meinte Owen Meany.
    Das war der Monat, in dem die ersten amerikanischen Kampftruppen in
Vietnam landeten; im April gab Präsident Johnson den Einsatz von US -Bodentruppen »für offensive Operationen in
Südvietnam« frei.
    »DAS BEDEUTET: ›SUCHEN UND ZERSTÖREN, SUCHEN UND
ZERSTÖREN‹«, sagte Owen.
    Im Mai begann die US -Marine mit Operation Market Time – [640]  »um
den Schiffsverkehr in den Küstengewässern Südvietnams zu blockieren«. Harry
Hoyt war dabei; Harry fühlte sich bei der Marine sehr wohl, sagte seine Mutter.
    »Aber was machen die denn da?« wollte ich
von Owen wissen.
    »SIE JAGEN UND ZERSTÖREN FEINDLICHE BOOTE«, sagte Owen Meany. Angeregt durch Unterhaltungen mit einem seiner Professoren
der Militärwissenschaften fügte er noch hinzu: »UND DAS NIMMT
KEIN ENDE. WIR HABEN ES MIT EINEM GUERILLAKRIEG ZU TUN. SIND WIR DAZU BEREIT,
DAS GANZE LAND AUSZULÖSCHEN? MAN KANN ES ›SUCHEN UND ZERSTÖREN‹ ODER ›JAGEN UND
ZERSTÖREN‹ NENNEN –, ES IST JEDENFALLS IMMER NUR ›ZERSTÖREN UND ZERSTÖREN‹. DAS
NIMMT KEIN GUTES ENDE.«
    Ich konnte es einfach nicht fassen, daß Harry Hoyt am ›Suchen und
Zerstören feindlicher Boote‹ beteiligt sein könnte; er war ein solcher Trottel!
Er konnte nicht mal Baseball spielen! Ich konnte ihm nicht verzeihen, daß er
den Weg zur ersten Base geschenkt bekommen hatte, woraufhin Buzzy Thurston an
die Reihe gekommen war… und dessen schlechter Schlag dazu geführt hatte, daß
Owen Meany überhaupt noch mit Schlagen drankam. Wenn Harry bei diesem Wurf den
Ball getroffen hätte, dann hätte alles anders verlaufen können. Doch das Spiel
war weitergegangen.
    »Kannst du dir vorstellen, daß Harry Hoyt irgendwas ›jagen und zerstören‹ könnte?« fragte ich Owen. »Harry ist
doch so blöd, er würde ein feindliches Boot nicht mal erkennen, wenn es direkt
vor seiner Nase vorbeisegelt!«
    »IST DIR NOCH NICHT AUFGEFALLEN, DASS VIETNAM VOLL VON HARRY HOYTS IST ?«
fragte Owen zurück.
    Der Professor der Militärwissenschaften, der Owen so beeindruckt und
ihm eine Vorstellung von den Gefahren der taktischen und strategischen
Kriegsführung vermittelt hatte, war ein barscher und kritischer Colonel der
Infanterie – ein Fitnessfanatiker, der der Meinung war, Owen sei zu klein für
Kampftruppen in der [641]  Armee. Ich denke, Owen
tat sich in seinen militärischen Kursen deshalb so hervor, um den Burschen
davon zu

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