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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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Zahnlücken und freute mich auf den Sommer in Frankreich. Den wir vor allem im Auto verbrachten. Matthias Glatthaler war Fachmann für Hightech-Toiletten und reiste im Auftrag seiner Firma durch Frankreich, um dieses sanitäre Notstandsland in den siebten deutschen Klosetthimmel zu bringen. In Nîmes überwachte er die Installation eines Flachspüler-Sitzklosetts mit Spar-Spülsystem und elektronisch absenkbarem Deckel, in Montpellier hielt er eine Rede zur Eröffnung einer hochmodernen Toilettenanlage. Dann fuhren wir endlich ans Meer. Um in einem Badeort unzivilisierte Hockklos durch moderne Tiefspüler zu ersetzen. In der Schule lernten wir kurz darauf den Begriff Globalisierung. Ich schrieb ihn mit K, noch beeinflusst von den französischen Klosett-Ferien, und beschloss, auch weiterhin Onkel Hartl als meinen Vater zu betrachten.
    Was hatte Matthias Glatthaler jetzt vor? Wollte er länger hierbleiben und womöglich alle öffentlichen Klosetts Neuenthals, von denen einige sanierungs-, wenn nicht gar revolutionsbedürftig waren, einer fachmännischen Prüfung unterziehen? Was wollte er von Therese, hatte er nicht eine feste Freundin in Frankreich? Auf den Postkarten, die er mir selten schrieb, hatte er sie gelegentlich erwähnt. Soweit ich wusste, hatten sie eine gemeinsame Wohnung in Paris und ein Haus am Meer, vermutlich mit den modernsten Designer-WCs, mit Sprinkler-Intensivfunktion, Warmlufttrocknung und Deckelheizung. Und von mir aus durfte er sich gern wieder in seinen französischen Luxus zurückziehen. Niemand anderer als mein Onkel sollte mich zum Traualtar führen! Aber wie um Himmels willen sollte ich das meinen frischverknallten Eltern beibringen?
    Timo wälzte sich auf die Seite, murmelte irgendetwas, und ich rutschte näher an den Rand des Sofas. Im Aquarium umschwänzelte Zopodil unruhig den Blumentopf, in den sein Harem sich verzogen hatte. War vielleicht irgendetwas nicht in Ordnung? Zerfetzten die Damen dort drinnen einander die Flossen? Sollte ich eigenmächtig den Topf lüften oder Timo wecken? Er hatte sich sofort nach dem peinlichen Abend im Chez Lutz samt Bettzeug ins Wohnzimmer verzogen und meine Ankündigung, selbstverständlich würde ich mit ihm bei den Fischen schlafen, nur mit einem gereizten Räuspern aufgenommen.
    Was sollte ich denn noch tun? Ich bemühte mich doch um größtmögliches Interesse. Ich gestattete ihm sogar eine Lebendfutterzucht auf dem Balkon. Und ich hatte seine roten Mückenlarven in unserem Gefrierfach nur ein einziges Mal mit Glasnudeln chili-fresh extra dünn verwechselt. Dummerweise ausgerechnet, als sein Studienleiter zum Essen gekommen war. An den folgenden Streit dachte ich nicht gern, wohl aber an die ausschweifende Versöhnung danach. Wir hatten eine Nacht und einen Tag im Bett verbracht, Timo war nur einmal kurz aufgestanden, um verlorene Kalorien durch hastigen Hanuta-Verzehr wieder aufzunehmen, hatte sogar vergessen, die Fische zu füttern. So sehr hatte er mich begehrt. Damals. Noch vor etwas mehr als einem Jahr.
    Was war nur passiert? Hatte Rutiene wirklich alle schmeterlinge benebelt, wie quietschentchen es ausdrückte?
    Ich rückte etwas näher an Timo heran, strich ihm eine Strähne aus der Stirn. Beinahe verstohlen. Dabei war ich doch seine Freundin, Geliebte, bald seine Ehefrau! War es wirklich nur der Schulstress, der ihn von mir abhielt, wie er behauptete? Oder war ich in den letzten Monaten selbst zu gestresst gewesen, zu befangen in den Hochzeitsvorbereitungen, zu sehr beschäftigt mit meiner Figur? Oder zu leidenschaftslos? Vielleicht war ich ja schlecht im Bett, vielleicht erlebten andere Frauen andauernd diese erschütternden Orgasmen, wie Delphine de Brulée sie beschrieb:
    Seine Zunge fuhr über ihre Haut wie eine sengende Flamme durch zitterndes Steppengras, und sie wollte sich hineinkrallen in das Fell seines Raubtiernackens, aber ihre Hände waren gefesselt, jede an einen Pfosten des Bettes, ebenso ihre Beine. Wie gekreuzigt lag sie, ausgeliefert seinen Zärtlichkeiten und den Schauern, die ihren Leib durchzuckten, einem gewaltigen Beben, dem Donnern gleich, mit dem eine Horde Wildpferde durch die Weiten der Camargue fegt, durch Sümpfe, Sand, Salzseen.
    Donner gehörte bei Delphine de Brulée anscheinend immer dazu. An anderer Stelle wurde ihre Heldin von ihrem Orgasmus überrollt wie von den donnernden Wogen des Atlantiks, und dummerweise hatte ich beim Lesen wieder an die Flachspülertoiletten denken müssen, die Matthias Glatthaler

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