Paarungszeit: Roman (German Edition)
Ungeschminkt.
Trotzdem. Als sie ihn musterte, senkte er den Kopf, murmelte ein weiteres »Pardon, Madame«, und der jüngere Mann entschuldigte sich ebenfalls, dass sie so spät störten. Delphine de Brulée käme direkt aus Südfrankreich und sei den ganzen Tag durchgefahren …
»Aber … aber, was wollts denn ausgerechnet hier in Neuenthal?«, rutschte es ihr heraus, hilflos klang es, verwirrt, und sie schickte ein schnelles »Ich zeig Ihnen jetzt die Zimmer!« hinterher. Entschlossen schritt sie voraus in die ehemalige Wohnküche des Hauses, die zu einem Komfortzimmer umgebaut worden war. Das am wenigsten attraktive Zimmer im Haus. Mit Parkplatzblick. Gut genug für diese französisch keifende Schnoin mit ihren Lustschreien. Dem netten jungen Mann gab sie das hübsche Eckzimmer im ersten Stock, und dem Akkordeonisten bot sie den Raum mit Gartenblick im Parterre an. Waren diese Homosexuellen nicht besonders empfänglich für schöne Blumen? Zum Glück waren die Betten immer bezogen, für den Fall eines plötzlichen Touristenansturms, mit dem sie, wenn sie ehrlich war, nie wirklich gerechnet hatte. Und jetzt hatte sie beinahe ein volles Haus! Der junge Mann und der Akkordeonist schleppten Koffer und Taschen, beschattet von Fredl, der bereits die Nummer des französischen Wagens notiert hatte und mit einem Blasröhrchen auf Matt lauerte. Über der Feuerwehrkneipe wurde quietschend ein Rollo geöffnet, und rasch schloss Therese die Haustür ab, drehte den Schlüssel zweimal herum.
»Morgen ist der Spuk vorbei, verlass dich drauf«, hatte Matt ihr zugeraunt, bevor er mit dieser Schnoin im Komfortzimmer verschwand. Er werde ihr alles erklären.
Stunde um Stunde hatte sie auf diese Erklärung gewartet, in der Kaisersuite. Aber er war nicht gekommen. Sie hatte reglos auf dem Bett gesessen, beobachtet, wie der Mond, der einsame Cowboy der Nacht, sich durch die Wolken lavierte, immer dem Sonnenaufgang entgegen. Irgendwann war sie wohl eingeschlafen. In ihren Kleidern. Und jetzt stand ihr ein Frühstück für sechs Personen bevor. Jessesmaria!
Was frühstückten eigentlich Franzosen? Baguette? Croissants? Café au Lait? Nichts da! Bei ihr würde es Brezn geben, wie immer. Und Semmeln. Obazdn. Eier von der Resi. Einen deutschen Kaffee mit Milch und Zucker. Sie schlich durch den Flur, die Treppen hinunter, blieb eine Sekunde vor der Tür des Zimmers mit Parkplatzblick stehen. Stille. Nur leises, röchelndes Schnarchen. Matt? Oder gar Delphine de Brulée? Seltsamerweise hob dieser Gedanke ihre Stimmung, wenn auch nur leicht. Sie verließ leise das Haus, duschte in ihrer Wohnung, zog sich um. Und suchte in ihrem Bücherregal nach dem Taschenwörterbuch aus ihrem einzigen Frankreichurlaub. Wie hieß Frühstück noch einmal auf Französisch? Hier! Pe-tit Dé-jeu-ner. Petidäschönä, wenn sie die Lautschrift richtig entzifferte. Na also. Sie setzte ihren Hut auf und marschierte Richtung Tauchschule, um sich das Auto ihres Bruders zu leihen.
Inzwischen strahlte der Himmel, erste Sonnenfunken kitzelten die Wellen des Brachsees. Vor der Bäckerei Brunnhuber am Mohnauer Hafen war kein Parkplatz zu bekommen. Kruzifix! Natürlich! Heute war Samstag, zwischen sieben und acht Uhr gab es Rabatt auf größere Mengen Feingebäck und Brötchen. Als Therese endlich den Kombi in eine Lücke gezwängt hatte und die Bäckerei betrat, standen Toni und der Mohnauer Metzger bereits an der Verkaufstheke. Hinter ihnen teilte Franzi die aus Urlaubern und Mohnauern bestehende Menge, drängte sich zu den verbilligten Semmeln durch. Was wollte Franzi schon um Viertel nach sieben hier? Wenn doch ihr Edekamarkt in Neuenthal, wo sie die Mohnauer Rabattbrötchen unverschämte dreißig Cent teurer verkaufte, nicht vor halb zehn öffnete? Und was hatten sie heute im Angebot? Brezn. In zum Glück ausreichender Menge. Semmeln. Brotzeitstangerl. Strudel. Blechkuchen. Apfeldatschi. Quark- und Streuselstückerl, und wie hießen diese weißen Schaumgebäckteilchen neben den Aprikosenkrapfen, hatten sie nicht auch einen französischen Namen? Schmeckten nach Luft und Zucker und … Bäsee! Bäsee hießen diese kleinen Stückchen Nichts. Vielleicht sollte sie den Gästen diese Bäsees anbieten zum Peti… wie hieß das zweite Wort noch? Egal!
Eine Entschuldigung murmelnd, drängte sie sich hastig nach vorne, vorbei an zwei Touristen, die hoffentlich einsahen, dass sie deutlich mehr Zeit hatten als eine Pensionswirtin mit wartenden Gästen.
»Ja, manche
Weitere Kostenlose Bücher