Paarweise
nächsten Tag mehr auf den anderen einzugehen. Und sie machten nicht mehr alles unbedingt gemeinsam, was zur Folge hatte, dass sie sich nach einigen verbrachten Stunden richtig aufeinander freuten. Und der Urlaub wurde für beide Partner ein richtiger Erfolg.
Was war passiert? Die Missverständnisse begannen mit der stillschweigenden Voraussetzung, man wolle gemeinsam dasselbe. Die nachfolgenden aggressiven Ausbrüche zeigten, dass beide von ganz verschiedenen Erwartungen ausgegangen waren. Die Rettung in dieser Situation bestand darin, die destruktiven Sticheleien in eine konstruktive Kommunikation, in offenes Reden miteinander umzuwandeln.
Diese Kommunikationsfähigkeit spricht für die persönliche Reife der beiden, die dadurch auch wiederum gestärkt wurde. Ein Regelkreis: Erst das Vertrauen in die eigene Kommunikationsfähigkeit hilft uns, die eigenen Bedürfnisse besser zu verfolgen. Diese schrittweise Selbstverwirklichung wiederum stärkt die Fähigkeit zum partnerschaftlichen Kompromiss, der im richtigen Fall nicht als Opfergabe empfunden wird. Nur
durch derart konkret erlebte Erfahrungen gelingt es uns, den angestrebten natürlich-gesunden Egoismus zu entwickeln, der eben nicht auf Kosten des anderen gehen muss, sondern zwei Menschen einander echter, authentischer zeigt und sie dadurch näherbringt.
Das zweite Problem, das sich aus unrealistischen Erwartungen an den Urlaub ergibt, meint die schlichte Tatsache, dass drei Wochen im Jahr keine Chance haben, gegen 49 Wochen Alltag anzukommen. Was hat die Psychologie als Lösung anzubieten? Ich erkenne immer mehr einen – vereinfacht gesagt – richtigen oder falschen Urlaubsstil: den Typ des Ergänzungs-oder des Ersatz-Urlaubs. Ein Ersatz-Urlaub ist unbefriedigend und stresserzeugend bis extrem frustrierend. Dieser Urlauber-Typ will »endlich mal leben«, und zwar nach dem »Alles-oder-nichts-Prinzip«, also endlich mal überhaupt nichts tun müssen; dafür will er alles erleben, sehen, kennenlernen, alles nachholen, was das Jahr über nicht möglich schien. Natürlich geht es im Urlaub auch darum, das Leben zu spüren. Aber Erholung aus dieser Art Urlaub zu ziehen, ist fast unrealistisch. Der im psychologischen Sinne »erwachsene« Urlauber wartet gar nicht erst, bis er regelrecht urlaubsreif wird. Dieses Modell, das ich den »Urlaub als Ergänzung« nennen möchte, ist eine Zeit, in der man einfach mehr von dem tut, was einem das Jahr über bereits das Leben lebenswert macht. Der Urlaub ist dann nur eine Verstärkung, ein Zurück zum Eigentlichen, ein Hin zum Wesentlichen. Für den einen ist dieser Urlaub einfach mehr Zeit für die Familie, intensivere Gespräche mit dem Partner, mehr genüssliches Beisammensein beim Essen, beim Wein und vor allem bei der Freizeitgestaltung. Sehr bewährt
hat sich zum Beispiel, dass die Partner (ggf. auch mit Kindern) am Sonntag vor der Abreise sich zusammensetzen und herausfinden, was jeweils der andere vom Urlaub erhofft oder unbedingt erleben will. Denn sicher ist es besser, vorher Kompromisse auszuhandeln, als dann die Urlaubszeit mit Streit und Stress zu vergeuden.
Das zweite Kennzeichen des »erwachsenen« Urlaubers: Er lebt mehr in der Gegenwart und kann dadurch intensiver erleben. Viele Menschen sind gebremst in ihrer Fähigkeit, den Augenblick zu genießen. Sigmund Freud hat einmal gesagt, zum gesunden Leben gehöre es, sowohl arbeits- als auch liebesfähig zu sein. Ich möchte ergänzen: genussfähig zu sein. Die meisten Menschen haben heute Schwierigkeiten, ihren gesunden Egoismus zu leben, das heißt, sich zu ihren spontanen Bedürfnissen zu bekennen, diese zu artikulieren und zu verfolgen, ohne dass dies gleich auf Kosten der anderen geht. Das fängt damit an, im Urlaub nicht über die Probleme des Alltags zu grübeln, sondern stattdessen die freie Zeit voll auszuschöpfen. Urlaub als Lustfaktor also, um sich selbst besser kennenzulernen, herauszufinden, was einem persönlich am meisten Spaß macht, womit man seine Lebensfreude steigern kann.
Das dritte Merkmal eines »erwachsenen« Urlaubers ist die gesunde Notwendigkeit, die viele Menschen jedoch erst lernen müssen: Nein sagen zu können, wenn man etwas nicht will. Dafür deutlicher Ja zu seinen Bedürfnissen zu sagen und fordern zu lernen. Also zu seinen Bedürfnissen stehen und Hemmungen aus übertriebener Höflichkeit, Peinlichkeit oder etwa aus Gründen wie »das geht doch nicht«, »das kann man doch nicht machen« einfach daheim lassen. Die
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