Paarweise
2002).
Eine Alternative ist, den Vorwurf der Frau zu zitieren. Entweder in direkter Rede: »Sie meinte zu mir: ›Du hast letztes Jahr ja wirklich alles falsch gemacht.‹« Oder in indirekter: »Meine Frau meinte, ich hätte alles falsch gemacht letztes Jahr.« Der Konjunktiv der indirekten Rede ist ebenso wie die direkte Rede keine Autosuggestion.
Die häufigen Streitszenen zwischen den Partnern hatten bereits die Kinder verunsichert: Der fünfjährige Sohn beklagte sich: »Wenn ihr so weitermacht, sind wir bald keine Familie mehr.« »O.K.«, sagte sie, »ich komme wegen der Kinder zurück, nur wegen der Kinder.« Das sehe ich als Paartherapeut natürlich nicht als tragfeste Basis für einen Neustart der Beziehung. Er: »Du hast ja nie was gesagt, und plötzlich bist du fremdgegangen.« »Warum ›muss‹ ich immer alles machen in deinen Augen?«
Ich versuchte sie aufzuklären, dass er nicht ahnen konnte, was ihr fehlte, was sie bedrückte, wenn sie es nicht auch so kommunizierte. »Ich bin die Leidtragende«, klagte sie weiter. Und es kam unter Tränen ein Schwall aus Frustrationen und Kränkungen zutage. Ihr Mann verfolgte den Vorgang mit großen Augen, als ob eine fremde Frau vor ihm säße. Er hatte keine Ahnung. Während er ihr zuhörte, meine Anregung tapfer durchhaltend, das Feedback einfach schweigend aufzunehmen, wurden ihm einige Zusammenhänge des wunderlichen Verhaltens seiner Frau klar. Und er schaffte es tatsächlich weiter, einfach nur zu schweigen. Seine Frau hatte die Verletzung so empfunden. Und nur diese subjektive Empfindung und Interpretation seiner Frau, so wie er sie ganz authentisch in dieser Situation erfuhr, brachte ihn weiter darin, herauszufinden, welchen Blickwinkel seine Frau hatte.
Schritt für Schritt erkannten beide die Außenbeziehung der Frau als Zeichen einer kranken Ehe, in der schlicht die Kommunikation falsch lief. Mit dem Bemühen beider Seiten, eine neue Ebene zu schaffen, auf der beide auf Augenhöhe kommunizierten, wurde die Beziehung gerettet. Die beiden kamen sich auf eine Weise näher,
wie sie es miteinander noch nicht erlebt hatten. Der Liebhaber hatte seine Schuldigkeit getan. Die beiden Ehepartner waren über den Leidensdruck und die Angst, die Familie zu zerstören, quasi aufgewacht.
Der gemeinsame Urlaub
»Hauptsache weg« ist eine Art Befreiungsformel geworden, die sich durch alle Generationen zieht. Die »Bloß-weg-hier-Philosophie« gipfelt im Schlagwort »Ferien vom Ich«, was richtig verstanden bedeuten soll, dass das eigene Ich Ferien bekommt. Also: Im Urlaub »darf« man endlich so leben, wie man will, hat man Raum, hat man Zeit zur Entfaltung seines eigentlichen Wesens. Unabhängig von Image oder Position, unabhängig vom Chef, von Kollegen oder von Nachbarn.
Es lässt sich beobachten, dass viele Menschen, die in den Urlaub fahren, damit auch die Möglichkeit für zwischenmenschliche Abenteuer verbinden. Anlass dazu sind das seelische Bedürfnis nach menschlicher Nähe, nach Verständnis und Geborgenheit, das geistige Bedürfnis nach Austausch und das körperliche Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Sexualität – im Urlaub scheinen die Chancen groß zu sein. Wir sind frei, emanzipiert und unabhängig, und doch stoße ich hier in meiner psychologischen Arbeit häufig auf eine riesige Kluft zwischen Theorie und Praxis. Viele Menschen leiden unter Einsamkeit. Wäre da nicht der Urlaub eine Chance, hier etwas zu verändern? Da lohnt sich der Blick auf diejenigen, die
sich die oben beschriebenen Möglichkeiten des Urlaubs auch »erlauben« – und das ohne Schuldgefühle und Hemmungen, mit Geduld und etwas Vorbereitung, aber ohne Anstrengung und strenge Regeln oder etwa gar deutsche Gründlichkeit. Die Basis für die Erfüllung der Urlaubswünsche liegt in einer realistischen Erwartungshaltung: Was erwarte ich unbewusst von »meinen schönsten Wochen des Jahres«?
Die Suche nach etwas, was man im Alltag nicht hat, ist ja häufig das eigentliche Motiv, das einen verreisen lässt. Damit es ein gelungener Urlaub wird, müssen zuallererst die Erwartungen an die Realität angepasst werden. Wenn aber der Urlaub dazu dienen soll, sämtliche Frustrationen des ganzen Jahres wettzumachen, dann hat man damit die potentiell schönste Zeit des Jahres hoffnungslos überfordert. Meine Paarberatungspraxis zeigt, dass der Urlaub für viele erst einmal mehr Stress als Erholung darstellt. Man muss sich umstellen auf eine ganz andere Zeitplanung, so z. B. mit dem weniger
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