Pablo Picasso - die Lebensgeschichte
ist.
Drei Frauen und ein Kind
So ein Doppelleben ist teuer und ganz schön anstrengend!
I m Jahr 1930 kauft Picasso das Schloss Boisgeloup. In dem Riesenschuppen in der Normandie kann er endlich ins große Format einsteigen! Skulpturen machen! Marie-Thérèse hat ihn auf die Bildhauerei gebracht. Ihre athletischen Formen schreien nach plastischer Darstellung. Zudem kann sie hier wohnen. Sechzig Kilometer von Paris und Olga entfernt locken kreative Tage und ungestörte Schäferstündchen. Weil das Schloss dann doch zu weit weg ist, mietet er im Herbst gegenüber der Pariser Wohnung noch eine für die Geliebte. So ein Doppelleben ist teuer und ganz schön anstrengend! Das liegt nicht an Marie-Thérèse. Die ist ein Engel. Bei ihr findet er die Ruhe, die er zum Malen braucht. Das schönste Motiv liefert sie gleich mit. Dass sie vor lauter gottergebener Geduld beim Modellsitzen oft einnickt, fließt in die Bilder ein. Sie ist aber auch ein Traum von Dornröschen! Meine Güte, war das peinlich, neulich in der Galerie. Da feixen diese Bekannten von ihm und Olga doch glatt: »Sag mal, die Frau, die du uns da zeigst, die schläft ja die ganze Zeit!« Brenzlig, brenzlig … Aber Frau wie Bilder sind’s wert – Marie-Thérèse, wie sie leibt und lebt. Oder, besser, schläft und träumt.
Bild 13
Ein Dornröschen ganz ohne Dornen ist Picassos neue Geliebte, die sanfte Marie-Thérèse – die Form ihres Gesichts zeigt wahrhaft herzliche Zuneigung.
Zum Beispiel in »Der Traum« von 1932 – ein Bild von einem Traum und ein Traum von einem Bild. Die sanfte, zarthäutige Schöne, den Kopf zurückgelehnt, als würde sie liegen, die Hände offen im Schoß – wen stört da, dass ihre Rechte sechs Finger hat? Der weichgerundete Körper, hingegossen und doch fest im Sessel verankert. Die Perlen, die sich wie ein geschmeidiges Tierchen um den Hals schlängeln. Die Flut von Blondhaar, die dem Kopf Halt gibt – das alles bildet ein von der Figur losgelöstes Ornament und zeigt doch genau den Zustand träumenden Schlummerns. Auch die Farbtöne sind voller Schönheit und Harmonie: Rot und Weiß – Farben der Venus, Rot und Grün – Akkord der Ruhe, Rot und Gelb – warmes Leben! Alles ist in einem großen Schwung gemalt und zeigt doch Details wie die rutschenden Träger des Kleids oder das Sonnenlicht auf dem Sessel. Das Gesicht ist trotz Stilisierung unverkennbar das von Marie-Thérèse. Als Maske mit den Zügen glückseliger Meditation schwebt es wie losgelöst über dem Körper. Der Riss vertieft seine Herzform und spaltet es in eine Profil- und eine Vorderansicht. Es sind zwei Gesichter und doch eines – als würde sich die Schlafende regen und bewegen.
Gibt’s einen Namen für diesen Stil? Im Grunde nicht. Es ist eben ein Picasso. Ein sehr gelungener. Die Porträts von Marie-Thérèse gelingen ihm eigentlich immer. Das Leben mit ihr auch. Nur wenn Olga sich einmischt, sei’s auch nur in seine Gedanken, kommen ruppige Bilder dabei raus, kämpfende Stiere, Angriff, Blut und Tod. Das sind seine eigenen Aggressionen, da, in dem Stier oder im Minotaurus – diesem kraftstrotzenden, aber auch verletzlichen Mischwesen, halb Mensch, halb Stier. Das ist er.
Das Mädchen am Rand mit den Blumen und dem Licht ist Marie-Thérèse, die ihn erlösen muss von seiner zerstörerischen Gier und Wut.
Warum diese Wut? Trotz Olga geht’s ihm doch glänzend! Der Börsenkrach 1929 hat dem Absatz seiner Werke keinen Abbruch getan. Pablo diktiert die Preise, und die sind hoch. Zum fünfzigsten Geburtstag am 25. Oktober 1931 überschüttet man ihn mit Ehren. Scheußlich, solche Jubeltage! Müssen einen die Leute mit ihren Glückwünschen dran erinnern, dass man alt wird? Nicht eine Grußkarte hat er angeschaut. Das Beste an der Sache war, dass er auf seinen Retrospektiven – auch so eine Gemeinheit: Rückschauen! – viele verkaufte Bilder wiedergesehen hat. Das war, als würden verlorene Kinder im Goldkleid heimkehren. Ansonsten nervt dieser Ruhm. Hat das Gedöns noch was mit seiner Kunst zu tun? Was immer er macht, die Leute kriegen sich nicht ein vor Verzückung. Er könnte seinem Hund den Pinsel in die Pfote drücken – wenn er, Picasso, das Gesudel signiert, wäre wieder ein Goldbarren im Depot. Dabei ist er eigentlich nicht gierig. Ja schon, er lebt gern mit viel Geld – aber wie ein armer Mann. Paradox, aber wahr. Zum Beispiel sein Chauffeur. Der ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit und ein Freund, der ihm sagt, was die kleinen
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