Pablo Picasso - die Lebensgeschichte
Leute so denken. Dass Marcel eine Uniform trägt, war Olgas Idee. Wie auch die feinen Hotels. Er ist das der Welt doch geradezu schuldig. Allein schon seiner Mama. Soll er die alte Dame zum Bahnhof bestellen, wenn er nach Barcelona kommt? Oder ihr wie ein Arbeiter mit schwieligen Händen hinter der staubigen Autoscheibe zuwinken? Der ersten und einzigen
Frau, die immer an ihn geglaubt hat? Ja, die einzige! Eva hat ihn im Stich gelassen, indem sie starb, und Fernande hat ihn verraten mit ihren albernen Memoiren. »Neun Jahre mit Picasso« – ja, da hört die Welt hin! Da wird ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert, nichts Böses, nein, aber genug, dass sich die alte Kuh mal wieder ins Gespräch bringt, mit ihren Einblicken in Pablo Picassos Werk und Charakter. Was über mich zu sagen ist, sage ich selbst – merkt euch das, ihr Möchtegern-Musen! Na, was das angeht, da droht von den anderen Damen keine Gefahr. Das Olga-Gewitter tobt sich vorzugsweise in Zimmerschlachten aus. Und Marie-Thérèse? Ach die. Was »Ach die«?! Marie-Thérèse! Die Fügsame, immer zum Lachen Aufgelegte! Hm. Vielleicht etwas zu fügsam. Und ihr Gekicher nervt auf Dauer. Sie ist halt keine Leuchte. Was ohne mich aus ihr geworden wäre? Keine Ahnung. Gymnastiklehrerin? Olympiasiegerin? Da könnte sie in diesen sportnärrischen Zeiten fast so berühmt sein wie ich. Na, da ist es schon besser, wenn sie ihren Sport mit mir betreibt. Es fehlt ihr doch an nichts, oder? Hat sie was verpasst in den acht Jahren? Sie ist Pablo Picassos Geliebte! Jetzt wird sie auch noch die Freude haben, sein Kind zur Welt zu bringen!
Girls, Girls, Girls
Die Schwangerschaft bringt die Scheidung wieder aufs Tapet. Besucht Pablo Marie-Thérèse, gibt er sich siegessicher. Dass aber Olga das halbe Vermögen bekäme bei der Trennung, lässt ihn schaudern. Da steht ihr die Hälfte seiner Bilder zu – undenkbar! Selbst der Verkauf eines Werks bereitet ihm immer noch Pein. Im Juli 1935 zieht Olga mit Paulo nach einem Krach ins Hotel. Damit Pablo keine Bilder beiseite schafft, lässt sie sein Atelier versiegeln. So gemein kann Olga sein! So hart ist das Gesetz! Wieder sitzt er im Café und leckt seine Wunden. Im »Deux-Magots«, dem Surrealisten-Treff am Boulevard Saint-Germain, bekommt er
echte Wunden zu sehen. Da zieht die am Nachbartisch doch glatt ein Messerchen aus dem Handtäschchen, spreizt ihre behandschuhten Fingerchen auf dem Tisch und sticht immer schneller in die Zwischenräume! Eine blutige Mutprobe harter Matrosenjungs – mit beiläufiger Langeweile praktiziert von einer jungen Frau! Einer interessanten jungen Frau …
Am 5. September 1935 ist es soweit: er hat eine Tochter! Pablo ist glücklich. Ihr Name ist María de la Conceptión alias Conchita – nie hat er seine kleine Schwester vergessen, deren Tod ihm solchen Schmerz bereitet hat. Marie-Thérèse geht in der Mutterrolle auf. Ja, schön, aber… Irgendwie ist sie nicht mehr die aufregende Geliebte von einst. Wenn er sie so sieht mit dem Baby, ist die Erotik futsch. Und wie einfach gestrickt sie ist! Seine Bilder findet das Dummerchen »nicht umwerfend«. Trotzdem liebt er sie. Immer noch. Jetzt, wo sie ihm das Kind geschenkt hat, umso mehr. Er wird sie heiraten, klar! Um es gleich zu sagen – sie heiraten nie. Denn die Sache mit Olga zieht sich hin. Und das Verhältnis mit Marie-Thérèse wird nie mehr das alte. Da ändern auch die idyllischen Wochen nichts, die Pablo mit der neuen Familie in südlichen Gefilden verlebt. Irgendwie fehlt der Sache jetzt der Reiz des Verruchten. Ist bei Picasso eine Stelle frei geworden?
Pablo besetzt gleich zwei Stellen. Erstens die eines Sekretärs: seit 1935 lebt sein Jugendfreund Sabartés bei ihm. Pablo treu ergeben, wird er sein Prügelknabe und Mädchen für alles. Die von Olga verlassene Wohnung ist Schauplatz der Männerwirtschaft.
Bei Pablos Devise »Warum soll ich etwas wegwerfen, das so gütig war, sich bei mir einzufinden?« ist es ums gepflegte Ambiente der Zimmerflucht bald geschehen. Laken über den Möbeln machen diese zu im Weg herumstehenden staubigen Gespenstern. Überall stolpert man über Farbtuben und Pablos Werke. Am Kamin steht eine Drahtskulptur, als offizieller Erinnerungsschrein behängt mit dem »Korken einer bestimmten Champagnerflasche, Fähnchen, Quasten, einer Eisenspirale, einer Puppe, ungültigen Banknoten« und, und, und. Bald hängt hier auch ein blutbefleckter Handschuh.
Denn auch die Stelle der heimlichen Geliebten
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