Pacific Paradise - Boone Daniels 2
wollten einen Platz auf der Welle und es gab nicht genug Wellen, um sie alle unterzubringen, zu viele Autos brauchten einen Parkplatz und es gab nicht genug Lücken.
Ein neues Wort schlich sich in den Surferjargon.
Localism.
Ein leicht verständlicher Begriff – Surfer, die in der Nähe eines bestimmten Breaks wohnten, auf dem sie schon ihrganzes Leben lang surften, wollten ihr Territorium gegen Neuankömmlinge verteidigen und versuchten sie aus einem abgesteckten Bereich des Wassers zu verdrängen, den sie für ihre Heimat hielten – aber eine hässliche Sache.
Locies stellten Warnschilder auf: »Wenn du hier nicht wohnst, surf woanders.« Dann gingen sie dazu über, Autos von Fremden zu beschädigen – sie zu beschmieren, die Reifen platt zu stechen, die Windschutzscheiben einzuschlagen. Dann ging’s direkt zur Sache, die Einheimischen verprügelten die Newcomer – auf den Parkplätzen, am Strand und sogar im Wasser.
Was für Surfer wie Boone als Sakrileg gilt.
Im Wasser kämpft man nicht. Man bedroht, schlägt und verprügelt keine Leute. Man surft. Wenn einer einem die Welle wegschnappt, sagt man ihm die Meinung, aber man entweiht keinen heiligen Ort, indem man Gewalt anwendet.
»Prügeln am Line-up«, urteilte Dave eines Morgens bei der Dawn Patrol, »das ist wie Klauen in der Kirche.«
»Du gehst in die Kirche?«, fragte Hang Twelve.
»Nein«, antwortete Dave.
»Warst du überhaupt schon mal in einer Kirche?«, fragte High Tide. Selbst besucht er solche Einrichtungen nämlich durchaus – seit er seine Gangstervergangenheit hinter sich gelassen hat, geht Tide jeden Sonntag in die Kirche.
»Nein«, antwortete Dave. »Aber ich kannte mal eine Nonne …«
»Ich weiß nicht, ob ich das wissen will«, sagte Tide.
»Na ja, als ich sie kennenlernte, war sie keine Nonne mehr …«
»Das glaube ich dir sofort«, sagte Boone. »Also was war mit ihr?«
»Sie hat davon gesprochen.«
»Sie hat davon gesprochen, dass sie in der Kirche klauen will?«, fragte Johnny Banzai. »Gott, kein Wunder, dass das eine Ehemalige war.«
»Ich sage ja nur«, beharrte Dave, »wenn man sich beim Surfen prügelt, ist das … ist …«
»Ist das ein ›Sakrileg‹, das ist das Wort, das du suchst«, sagte Johnny.
»Weißt du«, antwortete Dave, »du entsprichst wirklich sämtlichen Vorurteilen, die man gegenüber Asiaten hat. Dein Wortschatz ist größer, du warst besser in der Schule, hast bei der Aufnahmeprüfung fürs College besser abgeschnitten …«
»Ich hab nun mal einen größeren Wortschatz«, sagte Johnny, »und ich war tatsächlich besser in der Schule und habe auch bei der Aufnahmeprüfung fürs College besser abgeschnitten.«
»Besser als Dave?«, fragte Tide. »Dafür muss man kein Asiate sein, dafür muss man nur zur Prüfung erscheinen.«
»Ich habe andere Prioritäten gesetzt«, sagte Dave.
Und die sind in der Liste der Dinge, die gut sind, zusammengefasst, einer Bestandsaufnahme, die ständig von der Dawn Patrol diskutiert und überarbeitet wird und die die Erstellung einer Liste der Dinge, die schlecht sind, notwendig machte:
Keine Brandung
Wenig Brandung
Zu viel los am Break
Auf der anderen Seite der Interstate 5 wohnen
Ausflüge auf die andere Seite der Interstate 5 machen
Ausschlag vom Neoprenanzug
Überschwemmte Abwasserkanäle
Boardträger auf BMW-Autodächern
Touristen auf geliehenen Boards
Localism
Die Punkte neun und zehn waren umstritten.
Alle gaben zu, dass sie Touristen auf geliehenen Brettern mit gemischten Gefühlen betrachteten, besonders die mit den Longboards aus Styropor. Einerseits gingen sie einem tierisch auf den Sender, mischten das Wasser auf, weil sie sich nicht auf den Brettern halten konnten, keine Ahnung und keine Surfermanieren hatten. Auf der anderen Seite sorgten sie für unendlich große Heiterkeit, Unterhaltung und Vollbeschäftigung, da es nun mal Hangs Job war, ihnen besagte Boards zu leihen, und Daves Beruf, sie aus dem Wasser zu ziehen, wenn sie wieder einmal versuchten, sich selbst zu ertränken.
Aber Punkt zehn, Localism, sorgte für die hitzigsten Diskussionen.
»Ich steh dazu«, sagte Tide. »Ich meine, wir finden’s auch scheiße, wenn sich Fremde in die Dawn Patrol drängen.«
»Wir finden’s scheiße«, stimmte Johnny zu, »aber wir verprügeln sie nicht. Wir bleiben freundlich, wie Brüder.«
»Der Ozean gehört niemandem«, beharrte Boone, »auch nicht Teile davon.«
Aber er musste einräumen, dass auch er in seinem Leben hatte mitansehen
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