Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
schmalen Silberkette um den Hals trägt.
Dasselbe Kreuz mit Kette, das Dan Silver aus der Tasche holte, bevor Tammy es sich mit ihrer Aussage anders überlegte.
Also war es doch kein abgekartetes Spiel, denkt Boone, jedenfalls nicht, was Tammy betrifft. Sie hat auf eine Drohung reagiert. Silver hat das Mädchen, wer auch immer sie ist, und er gab Tammy zu verstehen, dass sie sich gut überlegen soll, was sie sagt.
Boone nimmt das Bild und wirft einen Blick auf die Rückseite. Eine Kinderschrift.
Na ja, wenigstens haben wir jetzt einen Namen, denkt Boone. Wenigstens hat das Kind einen Namen.
Aber wer ist sie? fragt sich Boone. Und wieso steckt ein Bild von ihr in Tammys Badezimmerschrank? Wieso versteckt man ein Bild, das man gleichzeitig jeden Tag sehen möchte? Was hat eine Stripperin mit einem Mojada-Mädchen zu tun? Und wieso bedeutet es ihr so viel?
Denk nach, denk nach, sagt er sich und versucht gegen die Müdigkeit anzukämpfen, die über ihn hereinbricht, kaum dass der Adrenalinschub nachlässt. Tammy ließ Mick sitzen und ging zu Teddy. Warum?
Erinnere dich an deine Zeit als Bulle, denkt er. Chronologie. Was passierte wann? Tammy verlässt Mick kurz nach dem Brand in Dannys Lagerhaus. Sie will auf Teufel komm raus Kohle machen. Sie verbringt Zeit mit Angela und besucht Teddy.
Teddy und sie fangen an, gemeinsam nach Oceanside zu fahren. Aber wenn sie keinen Sex haben, was machen sie dort? Teddy wusste genau, wo er das Mädchen finden würde. Im Schilf am Rande der alten Sakagawa-Erdbeerfelder. Offensichtlich war er vorher schon dort gewesen … mit Tammy.
Und nicht nur einmal, sondern viele Male zwischen dem Brand und dem Prozess.
Bei dem Tammy eine Kehrtwende um 180 Grad vollzieht.
Wenn Sie gesehen hätten, was ich gesehen habe.
Was, Tammy, was hast du gesehen?
109
Sunny nimmt sich einen Moment Zeit, um den Sonnenuntergang zu betrachten. Ein greller roter Ball heute, der das Meer in karminrotes Licht taucht. Wunderschön, dramatisch, aber auch ein kleines bisschen unheilverkündend. Nach dem Motto: HeuteAbend ist der letzte Abend deines alten Lebens. Der Ozean kommt. Erhebt sich. Sie kann es in der Luft spüren, in ihrem Blut. Es macht ihr Herzklopfen.
Sie beobachtet den Sonnenuntergang einige Augenblicke lang, dann macht sie sich auf den Weg nach Hause. Chuck wollte ihr eine Doppelschicht aufbrummen, aber sie will nach Hause und sich vor dem großen Tag morgen ausruhen. Sie geht gerade über den Uferweg nach Hause, als Petra sie einholt.
»Darf ich mich kurz mit Ihnen unterhalten?«
»Kommt aufs Thema an«, sagt Sunny, ohne stehenzubleiben oder ihr Tempo zu verlangsamen. Petra hat Mühe mit ihren langbeinigen Schritten mitzuhalten.
»Bitte?«
»Als ich klein war, hat das immer funktioniert«, sagt Sunny. Sie bleibt stehen und sieht Petra an. »Was wollen Sie?«
Was das eigentlich heißt, ist Petra klar: Was wollen Sie jetzt noch? Den Mann, den ich liebe, haben Sie doch schon. Sunny Day ist eine schöne Frau, denkt Petra, im sanften Licht der Dämmerung, das ihr Gesicht leuchten lässt, ist sie sogar noch schöner. Selbst in alten Jeans, einem dicken Sweatshirt und ohne das geringste Make-up sieht die Frau einfach toll aus.
»Ich möchte Ihnen nur erklären«, sagt Petra, »dass der tatsächliche Sachverhalt nicht dem Anschein der Umstände entspricht, die Sie vermeintlich in Boones Cottage wahrzunehmen glaubten.«
»Geht’s auch klarer?«
»Boone und ich waren nicht zusammen. Sexuell.«
»Na, herzlichen Glückwunsch, Pfadfinderin«, sagt Sunny. »Aber lassen Sie sich durch mich von nichts abhalten.«
Sie will wieder weiter.
Petra greift nach ihrem Ellbogen.
»Wenn Sie Ihre Hand behalten wollen …«, sagt Sunny.
»Ach, hören Sie auf.«
»Aufhören womit?«
»Das harte Mädchen zu spielen.«
»Wenn Sie meinen Arm nicht loslassen«, sagt Sunny, »werden Sie sehr schnell feststellen, dass ich es nicht nur spiele.«
Petra gibt auf. Sie lässt die Hand sinken und sagt: »Ich bin nur hier, weil ich Ihnen etwas über Boone erzählen wollte.«
Sie wendet sich ab. Sie ist schon einige Schritte den Uferweg zurückgegangen, als sie hört, wie ihr Sunny hinterherruft: »Hey, du Landpomeranze! Du hast mir gar nichts über Boone zu erzählen.«
»Nein, wahrscheinlich nicht«, sagt Petra. »Ich entschuldige mich dafür.«
Sunny stößt einen Luftstrom aus und sagt: »Passen Sie auf, ich hab den ganzen Tag in einem Restaurant voller Testosterontypen Teller geschleppt. Ich schätze, ich
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